Urteil: Irreführende Werbeaussagen – Hipp muss Werbung für Kindermilch anpassen
OLG München gibt Klage des vzbv gegen irreführende Werbeaussagen im Internet und auf der Verpackung statt
„Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener“ – mit solchen Aussagen hat der Babynahrungshersteller Hipp für mit Vitamin D angereicherte Kindermilch geworben. Doch die Werbung im Internet und auf der Verpackung war irreführend, entschied das Oberlandesgericht (OLG) München nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Die Hipp GmbH & Co Vertrieb GmbH darf künftig nicht mehr den Eindruck erwecken, dass Kinder 7x mehr an Vitamin D benötigen als Erwachsene.
„Nährwertangaben bei Lebensmitteln dürfen nicht mehrdeutig oder irreführend sein – erst recht nicht, wenn es um Kindernahrung geht“, sagt Susanne Einsiedler, Referentin im Team Rechtsdurchsetzung beim vzbv. „Kinder benötigen nicht mehr Vitamin D als Erwachsene. Die Hipp-Werbung suggerierte das Gegenteil. Dass sich der im Vergleich zu Erwachsenen siebenmal höhere Vitamin-D-Bedarf von Kindern nur auf den Bedarf pro Kilogramm Körpergewicht bezog, war kaum erkennbar.“
Angeblicher hoher Mehrbedarf von Kindern an Vitamin D
Hipp hatte auf seiner Internetseite für die Produkte „Hipp Kindermilch COMBIOTIK ab 1+ Jahr“ und „Hipp Kindermilch COMBIOTIK ab 2+ Jahr“ mehrfach einen im Vergleich zu Erwachsenen stark erhöhten Vitamin-D-Bedarf von Kindern hervorgehoben. „7x mehr brauchst du als ich, wirst groß, gesund – ganz sicherlich“ und „7x mehr Vitamin D, starke Knochen
bis zum Zeh“ hieß es unmittelbar über den Produktfotos mit dem Aufdruck „mit viel Vitamin D“. Weiter unten auf der Webseite wurde das bekräftigt: „Darum benötigt Ihr Kind 7x mehr Vitamin D als ein Erwachsener.“ Erst durch Klick auf eine Schaltfläche konnten Verbraucher:innen erfahren, dass damit der relative Mehrbedarf von Kindern gegenüber Erwachsenen pro Kilogramm Körpergewicht gemeint war. Der absolute Bedarf an Vitamin D ist bei Erwachsenen und Kindern gleich hoch.
Ähnlich warb Hipp auf der Verpackung: In der Zusammenstellung des Produkts sei berücksichtigt, dass Kinder drei Mal mehr Calcium und sieben Mal mehr Vitamin D als Erwachsene benötigen. Lediglich aus einer schwer verständlichen Fußnote ging hervor, dass dies nur „pro kg KG (EFSA 2013, Erwachsene 80 kg, Kleinkinder 12 kg)“ gilt.
Werbeaussagen waren irreführend
Das OLG München schloss sich der Auffassung des vzbv an, dass die Hipp-Werbung gegen die Health-Claims-Verordnung der Europäischen Union verstieß, nach der nährwertbezogene Angaben nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein dürfen. Dabei komme es auf den Gesamteindruck an, den die Werbung bei den angesprochenen Verbraucher:innen hervorrufe. Jedenfalls ein erheblicher Teil derselben würde die strittigen Aussagen so verstehen, dass ein Kind im Vergleich zu einem Erwachsenen die 7-fache Gesamtmenge an Vitamin D benötige und die beworbenen Produkte geeignet seien, diesen vermeintlichen Mehrbedarf zu decken. Das treffe nicht zu.
Hipp hatte zwar darauf hingewiesen, dass es sich um einen Vergleich pro Kilogramm Körpergewicht handelt. Die Hinweise waren jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, um die Irreführung zu beseitigen. Es sei nicht gewährleistet, dass sie überhaupt wahrgenommen werden.
Urteil folgt einer Grundsatzentscheidung des BGH-Urteil
Vor drei Jahren hatte das OLG München die Klage des vzbv im gleichen Verfahren noch abgewiesen. Dagegen ging der vzbv in Revision. Anschließend hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das OLG München zurückverwiesen. Unter Beachtung der vom BGH genannten Grundsätze zum Gesamteindruck der Werbung hat das Gericht nunmehr der Klage des vzbv in vollem Umfang stattgegeben. Damit bestätigte das OLG auch das Urteil des Landgerichts München aus dem Jahr 2020 (Az. 39 O 15946/19).
Hipp hat die vom vzbv beanstandeten Passagen auf der Website mittlerweile angepasst. Ob auch die auf der Verpackung beanstandete Aussage geändert wurde, prüft der vzbv aktuell.
Urteil des OLG München vom 11.04.2024, Az. 29 U 3902/20 – rechtskräftig
Die Klage des vzbv geht zurück auf einen Hinweis aus dem Projekt Lebensmittelklarheit der Verbraucherzentrale.
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Internet: www.vzbv.de