Elternhirne: wachsam, einfühlsam und belastbar

Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ändert sich vieles im Leben der Eltern. Was sich ebenfalls verändert, ist das Gehirn der Mutter und bei engem Kontakt zum Kind auch das des Vaters. Das Gehirn wird umgebaut, um die Aufgabe als Mutter oder Vater perfekt ausfüllen zu können.

Bild von Shelley Evans auf Pixabay

(dgk) „Wenn wir das Gehirn einer Mutter und das Gehirn einer kinderlosen Frau im Gehirnscan ansehen, können wir recht gut erkennen, wer von beiden wer ist. Ist das nicht faszinierend?“ Dr. Julia Zwank, Professorin für Business Psychology und Expertin für Entwicklungspsychologie der SRH Fernhochschule Riedlingen erklärt, wie das kommt: „Die Natur baut unser Gehirn buchstäblich um, um uns auf unsere Rolle als Fürsorgende für ein schutzbedürftiges Wesen vorzubereiten. Schon in der Schwangerschaft sehen wir zum Beispiel, dass die graue Hirnsubstanz in bestimmten Arealen ab- und in anderen Arealen zunimmt, was sich nach der Geburt weiter fortsetzt. Eltern haben im Vergleich zu Nicht-Eltern stärkere neuronale Netzwerke, die zum Beispiel mit einer erhöhten Wachsamkeit für Bedrohungen verbunden sind. Diese Veränderungen im Gehirn sind so deutlich, dass ein Computeralgorithmus anhand der neuroanatomischen Veränderungen sogar treffsicher voraussagen kann, ob eine Frau Mutter ist oder nicht.“ Diese Umstrukturierungen im Gehirn gehören zu den bedeutendsten im gesamten Erwachsenenleben – vergleichbar mit den Veränderungen während der Pubertät. „Mit der Geburt eines Kindes wird auch eine Mutter geboren, die danach eine andere Frau ist als zuvor – mit einem neu verdrahteten Gehirn“, so Zwank.

Die Gehirne von Müttern reagieren anders auf Schlüsselreize – wie etwa Bilder von lachenden Babys oder das Geräusch eines weinenden Kindes. Man sieht auf dem Scan andere Bereiche aktiv aufleuchten und beobachtet stärkere Reaktionen als bei kinderlosen Frauen. Übrigens verlieren Mütter dadurch keineswegs kognitive Fähigkeiten. In Tests erzielen sie gleich gute Ergebnisse wie Frauen ohne Schwangerschaft oder Männer.

Die hormonelle Veränderung in der Schwangerschaft betrifft nicht nur Frauen, sondern auch andere Mütter im Tierreich. Weibliche Tiere, die Nachwuchs versorgen, haben oft einen Nestbautrieb, sind wachsamer und oft auch aggressiver, um ihre Kinder zu beschützen. Bei Untersuchungen an Mäusen zeigte sich, dass ein kleiner Bereich im Gehirn trächtiger Tiere durch Schwangerschaftshormone Östrogen und Progesteron so beeinflusst wird, dass es zu einer – meist dauerhaften – „Neuverdrahtung“ der betroffenen Neuronen kommt. Die Forschenden des Francis Crick Institute in London gehen davon aus, dass sich die Erkenntnisse aus der Studie auf menschliche Mütter übertragen lassen.

Studien mit schwangeren Frauen der Neurowissenschaftlerin Prof. Dr. Elseline Hoekzema und ihrem Forschungsteam der Universität Amsterdam zeigen das. Sie deuten darauf hin, dass die schwangerschaftsbedingten Veränderungen des Gehirns von entscheidender Bedeutung sind für die Bindung von Mutter und Kind während der Schwangerschaft und auch noch nach der Geburt.

Der Hirnumbau, der schon während der Schwangerschaft beginnt, geht nach der Geburt weiter – ohne Schwangerschaftshormone. Durch körperliche Nähe, Aufmerksamkeit, Blickkontakt und gemeinsame Freude stimmen sich Eltern und Kind miteinander ab und stellen sich aufeinander ein. Das unterstützt nicht nur die Entwicklung des Gehirns, sondern lässt auch die körperlichen Funktionen reifen. Sowohl Herzrhythmen als auch Gehirnwellen von Mutter oder Vater und Kind passen sich aneinander an, so die Entwicklungspsychologin Zwank. Dank Oxytocin, dem „Liebeshormon“ wird die Bindung weiter gestärkt, was die kindliche Entwicklung unterstützt. 

 

Quelle: Deutsches Grünes Kreuz e.V.
Internet: www.dgk.de