Der Wunsch nach „Likes“ triggert Körperunzufriedenheit und Diätverhalten
Die Nutzung sozialer Medien löst bei Jugendlichen häufig Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild aus und erhöht das Risiko, ein problematisches Essverhalten zu entwickeln. Das belegen neue Studien. Umgekehrt zeigt eine aktuelle Studie, dass sich Essstörungssymptome bei Studierenden signifikant reduzieren, wenn sie eine Woche auf die Social-Media-Nutzung verzichten. Den Zusammenhang zwischen TikTok & Co und Körperbild erläutert eine Expertin auf einer Online-Pressekonferenz im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, die am 28. Februar 2024 von 12.00 bis 13.00 Uhr stattfindet. Teilnahmelink: https://us02web.zoom.us/webinar/register/WN_PNARuLC1QkeNufGUPwp35w
Darüber hinaus stehen Expertinnen und Experten mit weiteren spannenden Themen für ein „Meet-the-Expert“-Gespräch auf dem Kongress zur Verfügung.
Längsschnittdaten aus zahlreichen Studien belegen, dass eine längere und intensivere Nutzung sozialer Medien mit Risikofaktoren für die Entwicklung von Essstörungen bei jungen Nutzerinnen und Nutzern einhergeht, insbesondere mit einem negativeren Körperbild und problematischem Essverhalten.1 „Dabei spielt vor allem die Nutzung visueller Inhalte wie Fotos und Videos eine Rolle, und es sind vor allem Vergleichsprozesse, die einen Einfluss auf das Körperbild haben“, sagt Professorin Dr. Katrin Giel von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen.
Dies bestätigt auch eine aktuelle australische Studie, in der Social Media bei gesunden Jugendlichen mit Körperbildsorgen verbunden waren.2 „Hier zeigte sich: Die Wichtigkeit, die ‚likes‘ auf Social Media zugemessen wurde, war mit einem restriktiven Essverhalten und größerer Körperunzufriedenheit verknüpft“, erläutert die Tübinger Forschungsleiterin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Umgekehrt bestätigt eine aktuelle experimentelle Studie, dass sich Essstörungssymptome bei Studierenden signifikant reduzieren, wenn sie eine Woche auf eine Social-Media-Nutzung verzichteten.3
Diese Ergebnisse legen einen möglichen Weg nahe, wie problematisches Essverhalten im Zusammenspiel mit TikTok & Co entsteht. „Junge Menschen, denen es sehr wichtig ist, auf Social Media positive Rückmeldungen zu erhalten, scheinen einem höheren Risiko zu unterliegen, aktiv ihr Essverhalten zu verändern, um ihre Beliebtheit zu sichern oder zu steigern“, erläutert Giel. Dabei müsse man berücksichtigen, dass sich dieses Verhalten in einem verletzlichen Alter abspielt, der Adoleszenz. „Für viele Jungen und Mädchen ist diese Zeit mit Selbstwertthemen und -problemen assoziiert, sie entwickeln ihre eigene Persönlichkeit, wollen ihren Platz im Leben finden und suchen dabei Orientierung“, so Giel. Das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören, sich dort stark zu fühlen und akzeptiert zu werden, findet auf Social-Media-Kanälen einen Resonanzraum. „Der eigene Körper kann dabei ein Vehikel sein, einer solchen Gruppe anzugehören, indem man Körperidealen nacheifert“, meint die Psychologin.
Nimmt das Essverhalten bedenkliche Formen an, kann zum einen die Abstinenz von Social-Media-Plattformen eine Normalisierung bewirken. Aber auch die Vermittlung von Medienkompetenz bei Jugendlichen beider Geschlechter ist wirksam, um Risikofaktoren für Essstörungen zu reduzieren, insbesondere Körperunzufriedenheit und Diätverhalten.4 „Wesentliche Inhalte solcher Präventionsansätze umfassen die Reflexion des eigenen Nutzungsverhaltens, das Thematisieren digitaler Bewertungsmechanismen, kritisches Hinterfragen transportierter Körperideale und die Aufklärung über das Zustandekommen von Inhalten etwa durch die Nutzung von Bildbearbeitungsprogrammen oder finanzielle Interessen von InfluencerInnen“, erläutert Giel.
Essstörungen entwickeln sich in der Jugend, wobei junge Frauen deutlich häufiger als heranwachsende Männer betroffen sind – vor der Corona-Pandemie waren dies etwa zwei bis vier Prozent aller weiblichen Erwachsenen. Die drei wichtigsten Essstörungen sind Magersucht („Anorexia nervosa“), Ess-Brech-Sucht („Bulima nervosa“) und die Binge-Eating-Störung mit regelmäßigen Essattacken. „Das sind schwere psychische Erkrankungen, die eine Psychotherapie erfordern“, sagt Giel. Zur Entstehung tragen Persönlichkeitseigenschaften wie niedriger Selbstwert, Perfektionismus und soziale Ängstlichkeit in Kombination mit biologischen und gesellschaftlichen Faktoren bei. „Zu letzterem zählen auch die sozialen Medien“, so Giel.
Der Deutsche Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist die gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) und des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM). Der Kongress findet vom 13. bis 15. März 2024 in Berlin statt.
Literatur:
1) Sharma, A. and C. Vidal, A scoping literature review of the associations between highly visual social media use and eating disorders and disordered eating: a changing landscape. J Eat Disord, 2023. 11(1): p. 170.
2) Fatt, S.J. and J. Fardouly, Digital social evaluation: Relationships between receiving likes, comments, and follows on social media and adolescents‘ body image concerns. Body Image, 2023. 47: p. 101621.
3) Dondzilo, L., T. Mahalingham, and P.J.F. Clarke, A preliminary investigation of the causal role of social media use in eating disorder symptoms. J Behav Ther Exp Psychiatry, 2024. 82: p. 101923.
4) Le, L.K., et al., Prevention of eating disorders: A systematic review and meta-analysis. Clin Psychol Rev, 2017. 53: p. 46-58.
Quelle: Deutscher Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Internet:
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