Die Eltern aller Babys, die in diesen Tagen in Deutschland zur Welt kommen, bekommen in der Geburtsklinik oder von der Hebamme einen wichtigen „Gesundheitspass“ für ihr Kind ausgehändigt: In diesem gelben Kinderuntersuchungsheft dokumentieren die Kinderärztinnen und Kinderärzte, ob sich das Kind gesund entwickelt und an den mittlerweile elf kostenlosen Früherkennungsuntersuchungen in den ersten 14 Lebensjahren teilgenommen hat.
Dieses bereits 1971 eingeführte „Gelbe Heft“ ist jetzt mit einem besonders wichtigen und informativen Zusatz für Neugeborene erweitert worden, berichtet die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Mit Hilfe einer Farbkarte können jetzt Eltern und Hebammen die Stuhlfarbe des Babys vergleichen. Ist die Stuhlfarbe auffällig, besteht Verdacht auf eine Lebererkrankung, die umgehend ärztlich abzuklären ist.
„Die neue Stuhlfarbkarte auf Seite 14 des Gelben Heftes soll eine Hilfe sein, auffällige Farben des Windelinhalts zu erkennen. Sie dient der Früherkennung einer gefährlichen Lebererkrankung, eines Verschlusses der Gallengänge, ‚Gallengangatresie‘ genannt“, erläutert Kinder- und Jugendärztin Prof. Dr. Sibylle Koletzko vom Freundeskreis der Stiftung Kindergesundheit.
„Bei der Erkrankung kommt es schon vor oder um die Geburt zu einer entzündlichen Verengung und schließlich zum Verschluss der Gallenwege, die von der Leber zum Darm führen. So kann die Galleflüssigkeit, die verschiedene Abbauprodukte und Körpergifte enthält, nicht mehr in den Darm abfließen. Die Galle staut in die Leber zurück und führt dort innerhalb weniger Wochen zu einer Zerstörung mit narbiger Umwandlung (Leberzirrhose)“, so Professor Koletzko, Spezialistin für Erkrankungen des Darmes und der Leber an der Universitätskinderklinik München. „Von dieser sehr seltenen, aber lebensgefährlichen Erkrankung ist eines von 18.000 Babys betroffen, das sind in Deutschland jedes Jahr etwa 35 Babys. Eine sehr frühzeitige Erkennung bietet die Chance, die Zerstörung der Leber zu verhindern“. Bei der Früherkennung soll die Stuhlfarbkarte helfen. Bleibt der Zufluss der stark grün gefärbten Galle in den Darm nämlich aus, wird die Stuhlfarbe zunehmend heller, sie erscheint gräulich oder lehmfarben bis hellgelb-weißlich.
Bei gesunden Neugeborenen kann der Stuhlgang unterschiedlich gefärbt sein, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Der erste Windelinhalt nach der Geburt ist dunkelgrün bis schwärzlich, noch geruchslos und von zäher Beschaffenheit. Hierbei handelt es sich um das so genannte Kindspech („Mekonium“). Es besteht vor allem aus verdautem Fruchtwasser, abgestoßenen Darmzellen und eingedickter Galle.
Nach ein paar Tagen stellt sich dann der normale Stuhlgang ein. Dieser kann gelblich, orange, bräunlich oder grünlich sein.
Wird das Baby gestillt, ist sein Stuhl in den ersten Wochen goldgelb, breiig bzw. salben- oder pastenartig und riecht säuerlich. Danach wird der Stuhl gelb bis grün, bleibt weich und ist oft dünnflüssig.
Mit Flaschennahrung ernährte Kinder haben einen festeren Stuhl als gestillte Kinder. Er ist eher bräunlich, breiig bis geformt und riecht etwas faulig und schon kotartig.
Auch die Stuhlhäufigkeit unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Nahrung: Voll gestillte Kinder haben eine größere Varianz, meist 2 bis 5 Stühle am Tag. Einige haben auch nur alle 4 bis 6 Tage einen Stuhl, was jedoch kein Grund zur Sorge ist. Flaschenernährte Kinder haben meist 1-3 Stühle am Tag. Bei ihnen weisen Stuhlpausen über mehrere Tage auf eine Verstopfung hin.
Sieht der Stuhl eines Babys farblos oder weiß aus, braucht das Kind vermutlich dringend Hilfe, betont die Stiftung Kindergesundheit. Professor Koletzko: „Die fehlende Farbe bedeutet, dass etwas mit der Galleausscheidung nicht funktioniert. Es gelangt kein Gallenfarbstoff aus der Leber in den Darm des Kindes und es besteht Verdacht auf einen Verschluss der Gallengänge oder eine andere Lebererkrankung mit Gallestau“.
Die Entscheidung indes, ob die Stuhlfarbe tatsächlich auffällig ist oder nicht, treffen in jedem Fall Ärztin oder Arzt, betont die Stiftung Kindergesundheit. Stellen Sie ihr Kind innerhalb von 24 Stunden bei einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt vor, so lautet auch die Empfehlung neben der Stuhlfarbkarte im gelben Untersuchungsheft. Nehmen Sie die Windel mit dem auffälligen Stuhl mit. Es empfiehlt sich auch eine Dokumentation der Stuhlfarbe mit einem Foto bei guter Beleuchtung.
Aber nicht nur die Stuhlfarbe verändert sich. Bei Gallestau in der Leber treten gelb gefärbte Abbauprodukte des Blutfarbstoffs (das sogenannte „direkte Bilirubin“) zurück ins Blut über. Bilirubin lagert sich in Haut und Augen ab und wird über den Urin ausgeschieden, wodurch dieser dunkler wird.
Bei gesunden Säuglingen ist der Urin wasserklar bis sehr hellgelb und damit in der Windel kaum sichtbar. Färbt sich die Windel des Kindes dunkler (ohne dass Stuhl dabei ist), kann es wie die helle Stuhlfarbe Hinweis auf eine Leberkrankung sein. Urin und Blut des Babys sollten untersucht werden.
Bei vielen Neugeborenen entsteht in den ersten Lebenstagen eine Gelbsucht, die normalerweise harmlos ist und sich innerhalb von 14 Tagen ohne Behandlung zurückbildet. Von einer verlängerten Gelbsucht spricht man, wenn sich Bilirubin über den 14. Lebenstag hinaus in Haut und Augen ablagert. Bei gestillten Säuglingen ist eine verlängerte Gelbsucht fast immer harmlos. Nur selten verbirgt sich eine Lebererkrankung dahinter. Ob harmlos oder nicht, kann aber nur durch eine Blutuntersuchung im Labor entschieden werden. Bei der harmlosen Gelbsucht durch Muttermilch ist nur das „indirekte“ Bilirubin erhöht. Bei einer Lebererkrankung findet man das aus der Galle rückgestaute „direkte“ Bilirubin vermehrt. Ein erhöhtes direktes Bilirubin weist immer auf eine Leberstörung hin. Um verschiedene Lebererkrankungen, besonders die Gallengangatresie, früh zu erkennen, empfehlen die Richtlinien medizinischer Fachgesellschaften bei allen Babys mit noch sichtbarer Gelbfärbung der Augen eine Blutuntersuchung. Nicht gestillte Babys sollten die Untersuchung mit zwei Wochen und gestillte Babys mit drei Wochen durchführen lassen. Ist bei der Blutuntersuchung nur das harmlose indirekte Bilirubin erhöht, kann weitergestillt und in Ruhe abgewartet werden.
Die einzige Möglichkeit den Gallestau und die Leberzirrhose bei Gallengangatresie zu verhindern, ist eine Operation, die den Gallefluss wiederherstellen kann. Je eher sie durchgeführt wird, desto größer sind die Erfolgschancen. Wird die Störung des Galleabflusses nicht durch eine frühzeitige Operation beseitigt, führt sie innerhalb von Monaten bis drei Jahren zum Leberversagen. Wird das Baby bis Ende des ersten Lebensmonats operiert, liegt seine Chance, mit der eigenen Leber groß zu werden, bei über 50 Prozent.
Alle Kinder mit Gallengangatresie benötigen früher oder später eine Lebertransplantation, wenn die Operation nicht erfolgreich war oder wenn sie nicht durchgeführt wurde. Sie sichert zwar das Überleben, ist jedoch mit vielen lebenslangen Einschränkungen verbunden. Zusätzlich kann die frühe Erkennung einer Lebererkrankung auch andere schwere Komplikationen verhindern, wie z.B. Störungen der Blutgerinnung mit Blutungen ins Hirn oder andere Organe.
Die Stuhlfarbkarte ist keine neue Erfindung. In Taiwan, Japan, Mexiko, Kanada, Frankreich und der Schweiz ist sie schon länger fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen. Mit ihrer Eingliederung in das Gelbe Heft haben jetzt auch alle Eltern in Deutschland die Möglichkeit, die Stuhlfarbe ihres Babys einfach zu überprüfen. Wenn nach der Geburt eine Hebamme nach Hause kommt, sollten Eltern sie bitten, die Augen des Babys mit zwei Wochen (wenn es nicht gestillt wird) und sonst mit drei Wochen anzuschauen. Besteht noch eine Gelbfärbung des Augenweiß sollte entsprechend den Empfehlungen umgehend eine Blutuntersuchung erfolgen, um die Gesundheit des Kindes zu schützen.
Die Integration der Stuhlfarbkarte in das Gelbe Heft ist ein wichtiger Schritt. Sie unterstützt Eltern und Gesundheitsfachkräfte effektiv bei der Früherkennung von Gallengangatresie, damit die Gesundheit der Kleinsten geschützt und lebensnotwendige Maßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.
Hier steht ein Informationsflyer zur Verfügung, der über Gelbsucht bei gestillten Säuglingen aufklärt:
Mehr Informationen im Internet bieten die Selbsthilfeorganisationen Deutsche Leberhilfe e. V (www.leberhilfe.org) und Leberkrankes Kind e. V. (https://leberkrankes-kind.de/
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