Menschen mit Schulden haben künftig mehr Geld zur Verfügung, müssen dafür teils aber selbst aktiv werden
Zum 1. Juli 2023 steigen die sogenannten Pfändungsfreigrenzen um gut fünf Prozent. Schuldner:innen mit regelmäßigem Einkommen bleibt dann entsprechend mehr in ihrer Haushaltskasse. Künftig sind Einkünfte bis 1.410 Euro geschützt. „Es gibt keine Übergangsregelung“, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. „Arbeitgeber und Kreditinstitute müssen die neuen Pfändungsfreigrenzen sofort beachten.“ Das ist wichtig, denn für Menschen mit Schulden zählt oft jeder Euro. Aber Vorsicht: Wurden vom Gericht oder der Vollstreckungsstelle öffentlicher Gläubiger individuelle Freibeträge festgesetzt, müssen Schuldner:innen diese selbst ändern lassen. Die Verbraucherzentrale NRW gibt Tipps, wie die Anpassung an die neuen Pfändungsfreigrenzen gelingt.
- Warum gibt es Pfändungsgrenzen?
Wer Schulden hat und deshalb von einer Lohn- oder Kontopfändung betroffen ist, soll trotzdem seinen Lebensunterhalt bestreiten und wichtige Zahlungen wie z.B. Miete oder Strom leisten können. Dies dient auch dem Schutz vor weiteren Schulden. Deshalb gibt es gesetzlich geregelte Freigrenzen bei einer Lohnpfändung und Freibeträge auf dem Pfändungsschutzkonto. Gläubiger können dann nicht auf die gesamten Einkünfte zugreifen.
- Auf die neue Pfändungstabelle schauen
Die neue Pfändungstabelle erfasst alle Arbeitseinkommen und pfändbaren Sozialleistungen, die nach dem 1. Juli 2023 ausgezahlt werden. Durch die Erhöhung können alleinstehende Schuldner:innen ohne Unterhaltspflicht bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro jetzt 1.431,60 Euro vom Lohn behalten. Besteht eine Unterhaltspflicht für eine Person, kann bei diesem Einkommen nichts gepfändet werden, da der pfändbare Bereich dann erst bei 1.940 Euro beginnt. Die aktuellen Pfändungsgrenzen können auf der Homepage der Verbraucherzentrale NRW nachgelesen werden. Eine gedruckte Übersicht gibt es auch in allen Beratungsstellen.
- Nicht auf die automatische Berücksichtigung verlassen
Grundsätzlich sind Arbeitgeber verpflichtet, die neuen Pfändungsfreibeträge automatisch zu beachten, und zwar auch bei schon länger laufenden Pfändungen und Abtretungen. Vorsorglich empfiehlt es sich jedoch, sich beim Arbeitgeber oder Sozialleistungsträger zu erkundigen, ob die neue Pfändungstabelle bekannt ist und angewendet wird. Damit können irrtümliche Auszahlungen an den pfändenden Gläubiger und unangenehme Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber vermieden werden.
- Auch das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) wird angepasst
Die automatische Anpassung an die neuen Freigrenzen gilt auch beim Pfändungsschutzkonto. Kreditinstitute müssen hier sowohl den geänderten Grundfreibetrag von jetzt 1.410 Euro als auch die angehobenen Freibeträge für weitere Personen (527,76 Euro für die erste, weitere jeweils 294,02 Euro für die zweite bis fünfte Person) automatisch berücksichtigen. Betroffene müssen keine neuen Bescheinigungen vorlegen.
- Unrechtmäßige Zahlungen zurückfordern
Überweisen Arbeitgeber, Sozialleistungsträger oder Kreditinstitute versehentlich noch nach der alten Tabelle, können Schuldner:innen die Auszahlung der irrtümlich an Pfändungsgläubiger zu viel gezahlten Beträge verlangen. Sie sollten also die geleisteten Zahlungen umgehend prüfen und den Zahlungsanspruch schriftlich gegenüber der auszahlenden Stelle geltend machen.
- Wichtig: Bei Beschluss oder Bescheid selbst aktiv werden
Für Pfändungen, bei denen der unpfändbare Betrag vom Gericht oder durch einen vollstreckenden öffentlichen Gläubiger wie etwa das Finanzamt oder die Stadtkasse individuell bestimmt wurde, wirken die neuen Pfändungsfreigrenzen leider nicht automatisch. Dann muss bei der Stelle, die die Entscheidung getroffen hatte, schnellstmöglich eine Neufestsetzung des Freibetrags beantragt werden. Solange die alte Entscheidung nicht ersetzt wird, müssen Arbeitgeber und Banken sie beachten und es werden ggf. zu hohe Beträge abgeführt. Diese zu viel abgeführten Beträge können dann nicht zurückgefordert werden.
- Jährliche Anpassung der Pfändungsfreigrenzen möglich
Die geltenden Pfändungsfreigrenzen richten sich nach dem einkommensteuerrechtlichen Grundfreibetrag und werden durch das Bundesministerium der Justiz jährlich bekannt gegeben. Mit der nächsten Anpassung ist daher zum 1. Juli 2024 zu rechnen.
Weiterführende Infos und Links:
Quelle: Verbraucherzentrale NRW
Internet: www.verbraucherzentrale.nrw