Die letzten Sommerwochen des Jahres brechen an. Sobald es etwas regnet, juckt es vielen Menschen in den Fingern: Sie wollen Pilze sammeln gehen. Pfifferlinge mit Knödeln, Pasta mit Pilz-Soße, oder eine bunte Pilzpfanne – Pilze sind schmackhaft, eine gute Fleischalternative und wachsen in unseren Wäldern. Einfach drauf lossammeln sollte aber vermieden werden. Wer sich nicht auskennt, geht besser in den Supermarkt und schaut nach heimischen Angeboten. Denn die Verwechslungsgefahr bei Pilzen ist groß und der Verzehr von giftigen Pilzen kann schnell im Krankenhaus enden. Und auch für erfahrene Sammler gibt es „in den Pilzen“ einiges zu beachten.
Wussten Sie, dass Pilze offiziell gar nicht als Pflanzen gelten? „Das, was wir Pilze nennen, ist eigentlich nur der Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen, das Pilzgeflecht oder Myzel, lebt im Verborgenen in der Erde oder im Holz“, erklärt Tamara Pilz-Hunter, Pilzexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Vielfalt der Pilze ist riesig: Es gibt drei bis fünf Millionen Arten von ihnen. Dabei sind die allermeisten von ihnen bis heute nicht wissenschaftlich beschrieben. Das Bundesamt für Naturschutz geht von rund 14.000 Arten allein in Deutschland aus, von denen nur etwas mehr als 5.000 mit bloßem Auge zu erkennen sind – vorausgesetzt, sie haben ihre Fruchtkörper aus dem Boden oder Holz geschoben. Pilze sind nämlich nur eine kurze Zeit im Jahr als „Großpilze“ sichtbar.
„Die Pilze sind immer da, sie sind in der Erde, aber die Frucht bildet sich erst, wenn es feucht und nass wird. Um ‚in die Pilze zu gehen‘ ist demnach der richtige Zeitpunkt entscheidend. Viele beliebte Pilze trifft man zum Beispiel an nährstoffarmen und im Jahresdurchschnitt trockenen, zum Beispiel sandigen Böden an. „Die beliebtesten Speisepilze, die Röhrlinge, zu denen auch Steinpilze, Maronen gehören oder die Pfifferlinge sind Symbiosepilze und genau dort zu finden“, sagt die BUND-Expertin. Im naturnahen Mischwald, wo reichlich Totholz liegt, findet man Pilze, die dieses Holz als Nährboden lieben. Sammler*innen können unter anderem den Austernseitling, die Krause Glucke, den Hallimasch und das Stockschwämmchen antreffen. Diese sind auch weniger vom Regen abhängig, da sie ihren Wasserbedarf dem Holz entziehen.
Es braucht einiges an Erfahrung, um Pilze im Wald richtig zu identifizieren. Steckbriefe von Pilzen lesen sich häufig wie Poesie – sie können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Pilze oft sehr schwer zu bestimmen sind. Neben Ausdauer und Erfahrung bringt einen Feinmotorik bei der Pilzbestimmung weiter. Und helfen die äußeren Merkmale nicht bei Identifikation, muss der Fund daheim unter das Mikroskop. Mehr als jeder zweite Pilz lässt sich nur mit einem Blick auf die Sporen und andere Mikromerkmale bestimmen. Für Pilz-Einsteiger*innen lohnt es sich, eine fachkundige Führung durch den Wald, wie sie von vielen BUND-Gruppen angeboten wird, zu besuchen.
Alles, was wir in der Natur lieben und anschauen ist mit Pilzen verwoben. Alles Leben im Boden hängt vom Wirken dieser Fadenwesen ab. 95 Prozent unserer Landpflanzen leben in Symbiose, also in gegenseitigem Nutzen und gegenseitiger Abhängigkeit mit Pilzen – auch Nahrungsmittel wie Mais und Getreide, Obst und Gemüse. Wir tun also gut daran, sorgsam mit den Pilzen umzugehen. Etwa ein Drittel unserer heimischen Pilzarten sind entweder extrem selten oder gefährdet. Fünf Prozent sind sogar vom Aussterben bedroht oder sind bereits ausgestorben. Pilz-Hunter: „Es sind dabei weniger die Pilzsammler, die die Arten gefährden, als vielmehr die intensive landwirtschaftliche Nutzung. Überdüngte Böden und die Belastung des Bodens mit Stickstoff und Phosphat sind das Hauptproblem für die Nützlinge.“ Auch das Ersetzen von Mischwäldern durch Monokulturen, die Zerstörung von naturnahem Lebensraum und Biotopen, die Umwandlung von Magerwiesen zu Intensivgrünland, oder das Trockenlegen von Feuchtwiesen und Mooren sind ein Problem für die Pilze. „Das Pilzesammeln für den Privatverzehr ist unproblematisch, solange an einem Fundort darauf geachtet wird, nicht alle Pilze abzuernten und das Myzel nicht zu zerstören“, so die Expertin abschließend.
Etliche BUND-Gruppe in Deutschland bieten herbstliche Exkursionen mit fachlicher Begleitung an. Die Geschäftsstelle vom BUND-Berlin bietet eine kostenlose Pilzberatung für die Öffentlichkeit an. Die Beratung wird von BUND-zertifizierten Pilzsachverständigen durchgeführt. Pilzinteressierte können außerdem Teil der Pilz-Arbeitsgruppe werden: https://www.bund-berlin.de/
Beim BUND-Niedersachsen ist das Projekt „ID-Pilze“ gestartet. Mithilfe einer neuen App erhalten junge Menschen die Möglichkeit, dass Reich der Pilze kennenzulernen. Gemeinsam mit der Universität Marburg will der BUND junge Menschen pilzkundig machen. Dafür sind bis zum Herbst 2023 mehrere Exkursionen und Ausstellungen geplant. Wer Interesse hat, kann die App dann unter Anleitung ausprobieren: www.bund-niedersachsen.de/
Im Schwarzwald ist mit Karin Pätzold eine weitere BUND-Expertin aktiv, die Kindern der örtlichen Schule die Pilze nahbringt und Führungen im Nationalpark anbietet: www.bund-kinzigtal.net/
Quelle: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V.
Internet: www.bund.net
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