Einmal mehr versäumt es die Politik, die medizinische Versorgung für Kinder und Jugendliche sicher zu gestalten. Eltern, Kinderärzte und Apotheker empört. Seit Wochen beklagen in ganz Bayern, aber auch bundesweit Kinder- und Jugendmediziner sowie Apotheken, massive Lieferengpässe für fertige Ibuprofen-Fieber- und Schmerzsäfte.
„Jetzt rächt sich, die Produktions-Verlagerung sogenannter „unrentabler“, aber für bestimmte Patientengruppen wichtiger Arzneimittelspezifikationen ins außereuropäische Ausland.“ klagt Dr. Dominik Ewald, Vorsitzender der bayerischen Kinder- und Jugendärztinnen und -Ärzte. „Das weiß doch jedes Kind, dass Babys und Kleinkinder keine Tabletten schlucken können!“
Kleinkinder benötigen gegen Fieber und Schmerzen Säfte oder Zäpfchen als Darreichungsform. Die Herstellung von Säften ist hygienisch aufwendiger, Abfüllung und Versand schwerer und die Haltbarkeit geringer als bei Tabletten. Dies macht Kindersäfte teurer. Rabattverträge mit den gesetzlichen Krankenkassen und politische Auflagen zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, GKV-FinStG) zwingen die Hersteller hingegen ihre Arzneimittel unter europäischen Herstellungskosten abzugeben.
So verlagerte sich die Produktion der pharmazeutischen Wirkstoffe wie auch der fertigen Arzneimittel ins billigere Ausland. China, Indien und die USA sind die weltweit größten Hersteller von Ibuprofen und Paracetamol. Nun hängen chinesische Arzneimittel seit Monaten wegen des Corona-Lockdowns in den Exporthäfen des Reiches der Mitte fest und gelangen nicht nach Europa. In den USA brach jüngst die Produktion wegen technischer Probleme zusammen. Allein davon sollen 10-15% des Weltmarktes betroffen sein, so Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes e. V.. Die Hersteller in Indien produzieren nun für den Weltmarkt, kommen der Nachfrage aber kaum nach. Westliche Experten kritisieren seit Jahren zudem die schlechten Produktionsbedingungen und Qualitätsstandards indischer Arzneimittel, die europäischen kaum genügen würden.
Derweil negierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, Hinweise auf Lieferengpässe dieser versorgungsrelevanten Darreichungsformen für Babys und Kleinkinder. Hiesige Apotheken verarbeiten nun Ibuprofen-Tabletten aufwendig und kostenintensiver zu Fiebersäften, um die hohe Nachfrage in der aktuellen Sommer-Infektionswelle Herr zu werden.
Politiker geben sich regelmäßig bei Arzneimittelengpässen erschrocken und versprechen, die Produktion wieder ins Inland zu holen, aber passieren tut nichts. „Wir lernen nichts aus früheren Lieferkettenengpässen. Die Politik versäumt es immer wieder in Deutschland und Europa eine eigene Produktion aufzubauen!“ resümiert Dr. Hubmann.
Wer darunter leidet, sind mal wieder die Kleinsten in unserem Gesundheitssystem. Die Patienten, die noch keine Tabletten schlucken können. Und jetzt werden auch noch die Zäpfchen knapp, berichtet Dr. Ewald.
Quelle: Bayerischer Landesverband der Kinder- und Jugendärzte
Internet: www.bayern.bvkj.de
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