Interview: Gynäkolog*innen können Schwangerschaftsübelkeit behandeln
Rund 85 % der Frauen leiden in der Schwangerschaft zeitweise an Übelkeit und Erbrechen. Die Gynäkologin Dr. med. Susanne Hampel untersucht und berät täglich Schwangere in ihrer Berliner Praxis, von denen viele überrascht sind, dass die Gynäkologin bzw. der Gynäkologe ihnen mit gezielten Behandlungen helfen kann.
Interview
Frau Dr. Hampel, was für Erfahrungen haben Sie in Ihrem Praxisalltag mit Patientinnen, die an Schwangerschaftsübelkeit und Erbrechen leiden?
In meiner Praxis habe ich tagtäglich mit schwangeren Patientinnen zu tun, von denen viele gerade in den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft mit NVP*, also Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft, zu kämpfen haben. In der Regel halten diese Symptome für sechs bis acht Wochen an und lassen zwischen den Schwangerschaftswochen 14 und 16 nach. Das ist nichts Ungewöhnliches und geht vielen Frauen so. Zuspruch, Motivation und Aufklärung rund um Schwangerschaftserbrechen können positiv formuliert werden: Die Übelkeit ist Folge der hormonellen Umstellung, freuen Sie sich, Ihrem Kind geht es gut, es wächst und gedeiht. Es wird nur bedenklich, wenn die Beschwerden über einen längeren Zeitraum anhalten, die Frauen sich mehrmals täglich übergeben und nichts mehr bei sich behalten. Dann besteht die Gefahr der Dehydrierung und negativer Auswirkungen auf das Wohl von Mutter und Kind. Bei 10 % der betroffenen Frauen halten die Beschwerden während der gesamten Schwangerschaft an.
Spüren die Betroffenen große Beeinträchtigungen in ihrem Alltag?
NVP kann den Alltag sehr stark beeinträchtigen und Auswirkungen auf das Sozial- und Familienleben haben. Auch der Job ist dann oft betroffen. Viele Frauen sind zweitweise nicht in der Lage, zu arbeiten und müssen sich krankschreiben lassen. Studien haben außerdem gezeigt, dass Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft zu depressiven, hilflosen und frustrierten Gefühlslagen führt – dabei ist die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft schon kräftezehrend genug.
Wie gehen die Frauen damit um? Fragen sie direkt nach Ihrem Rat?
Erstaunlicherweise halten noch immer zu viele Frauen anhaltende Übelkeit und Erbrechen für ein – wortwörtlich – unumgängliches Übel in der Schwangerschaft. Das zeigt noch einmal, wie wichtig die Aufklärung über dieses Thema ist. Die meisten Frauen, die wegen Übelkeit und Erbrechen starke Beeinträchtigungen erleben, erzählen dann beiläufig während ihrer Vorsorgetermine davon. Sie wissen oftmals nicht, dass es wirksame und bewährte Mittel gegen Schwangerschaftserbrechen und ‐übelkeit gibt.
Wann sollten sich Schwangere mit Übelkeitsbeschwerden also an ihre Gynäkologin bzw. ihren Gynäkologen wenden?
Am besten direkt. Wir können frühzeitig feststellen, ob es sich um eine Hyperemesis gravidarum handelt – eine besonders starke Form von Schwangerschaftsübelkeit und – erbrechen – was einen Krankenhausaufenthalt erfordern kann. Die Betroffenen sollten es so weit gar nicht erst kommen lassen, da man durch effektive Behandlungsmöglichkeiten einer Verschlimmerung der Situation entgegenwirken und negative Folgen auf die Schwangerschaft vermeiden kann. Die Schwangerschaft sollte eine Zeit voller Vorfreude sein, in der man sich wohlfühlt und die Entstehung eines neuen Lebens genießt – sich elend zu fühlen sollte nicht dazugehören. Daher kann ich allen Schwangeren nur raten, ihre Beschwerden frühzeitig anzusprechen.
*Nausea and Vomiting during Pregnancy [engl., Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft]
Mehr Informationen auch unter:
www.schwangerschaftsuebelkeit.com
Bild: ©Dr.S.Hampel