Stiftung Kindergesundheit: Was Eltern tun können, um ihre Kinder im Straßenverkehr vor Schaden zu bewahren
Der Verkehr wird immer dichter. Kinder werden im Straßenverkehr häufig mit Anforderungen konfrontiert, denen sie noch nicht gewachsen sind. Deshalb können sie das richtige Verhalten auf der Straße gar nicht früh genug lernen, betont die Stiftung Kindergesundheit in ihrer aktuellen Stellungnahme. Sie berichtet anlässlich des Tages der Verkehrssicherheit am 19. Juni 2021 über die gegenwärtige Situation von Kindern im Straßenverkehr und gibt Eltern Empfehlungen zur Verkehrserziehung.
Auf den ersten Blick sieht die Statistik positiv aus: Die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Kinder geht seit Jahren kontinuierlich zurück. Im Jahr 2020 sind auf Deutschlands Straßen 48 Kinder im Alter unter 15 Jahren getötet worden. 40 Jahre zuvor, 1980, starben vier Mal so viele Kinder im Straßenverkehr, auch 1990 haben noch doppelt so viele Kinder unter 15 Jahren wie heute das Leben durch Verkehrsunfälle verloren.
Nüchtern betrachtet sind die aktuellen Unfallzahlen jedoch kein rechter Grund zum Jubeln, so die Stiftung Kindergesundheit. Jedes verunglückte Kind ist eines zu viel. Und im letzten Jahr sind noch 22.401 Kinder bei Verkehrsunfällen verletzt worden. Außerdem ist eine seriöse Auswertung des Unfallgeschehens im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren kaum möglich: Schließlich war das Verkehrsaufkommen und somit auch das Unfallgeschehen im ganzen letzten Jahr durch die pandemiebedingten Einschränkungen stark reduziert.
Im Schnitt kommt auf unseren Straßen alle 19 Minuten ein Kind zu Schaden. Mit dieser Relation ist Deutschland im europäischen Maßstab lediglich auf dem siebten Platz. In Irland, Dänemark oder Italien verunglücken pro einer Millionen Einwohner, innerhalb von einem Jahr, wesentlich weniger Kinder im Straßenverkehr. In Großbritannien sind es drei Kinder pro Millionen Einwohner und damit nicht mal halb so viele wie in Deutschland. Hier verunglücken nämlich sieben Kinder pro Millionen Einwohner.
Sind unsere Kinder waghalsiger, sorgloser oder unaufmerksamer als die in Irland, Dänemark oder Italien? Sicher nicht. Wohl aber die Autofahrer, vermutet die Stiftung Kindergesundheit. Tempobeschränkungen in Wohngebieten werden häufig ignoriert, selbst rote Ampeln missachtet.
„Eine Ellenbogenmentalität vieler Autofahrer gefährdet unsere Kinder!“, betont Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Kinder sind die schwächsten Verkehrsteilnehmer: Vieles, was auf den Straßen geschieht, können Kinder noch nicht richtig einschätzen und verstehen. Ihre Gesundheit liegt deshalb in den Händen von uns Erwachsenen“.
Viele Autofahrer gehen davon aus, dass sich Kinder auf den Straßen wie Erwachsene verhalten. Weit gefehlt, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit:
• Kinder sind klein – sie haben demzufolge eine ganz andere Perspektive und Wahrnehmung als Erwachsene. Entsprechend nehmen sie Gefahren anders oder gar nicht wahr.
• Kinder haben ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Kleinere Kinder sehen nur das, was direkt vor ihnen passiert und nehmen Fahrzeuge am Rande ihres Blickfeldes meist gar nicht wahr. Und sie setzen ihren Impuls oft sofort in die Tat um.
• Orientierung und Gehör sind noch nicht voll entwickelt. Kindern fällt es oft schwer, rechts und links zu unterscheiden oder zu bestimmen, woher ein Geräusch kommt.
• Selbst Kinder zwischen sieben und zehn Jahren können die Entfernung und Geschwindigkeit eines Autos nicht richtig einschätzen. Sie haben beispielsweise keine Vorstellung, wie lang der Bremsweg eines Autos ist.
• Kinder sind leicht ablenkbar, impulsiv, träumerisch. Sie haben den Drang nach Bewegung, Spiel und Entdeckungen – und vergessen die Gefahren der Straße schon beim Anblick einer Katze oder eines rollenden Balles.
Deshalb sollten Eltern mit der praktischen Verkehrserziehung so früh wie möglich beginnen, empfiehlt Prof. Dr. Berthold Koletzko. „Vom Autositz aus lernen Kinder es nicht, sich im Verkehr zurecht zu finden. Sobald ein Kind laufen kann, sollte man es deshalb mitnehmen in den Straßenverkehr. Die richtige Strategie ist: An der Hand von Mutter oder Vater das richtige Verhalten lernen – beim Erkunden der Gehwege, beim Überqueren der Straße, beim Passieren der Kreuzung.“
Kleine Kinder lernen vieles durch Nachahmung der Eltern. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Eltern stets vorbildlich verhalten: Also nie bei Rot über die Straße gehen und sich immer ausreichend Zeit nehmen. Die Stiftung Kindergesundheit rät:
• Grundsätzlich sollten Sie auf Gehwegen ihr Kind an der Hand führen, immer möglichst weit innen an der Häuserseite entlang gehen.
• Es ist wichtig, beim Fahrbahnüberqueren ohne Ampel oder Zebrastreifen jedes Mal am Fahrbahnrand anzuhalten und dem Kind zu erklären, dass es an der Gehwegkante immer stehen bleiben und auf beiden Seiten nach fahrenden Autos und anderen Fahrzeugen Ausschau halten muss. Ihr Kind sollte lernen zu verstehen, welchen Gefahren durch das Anhalten und Schauen vorgebeugt werden kann.
• An der Ampel müssen Sie nicht nur konsequent warten, bis sich Grün zeigt, sondern auch dann zunächst sorgfältig und für Ihr Kind erkennbar nach links und rechts schauen, bevor Sie losgehen.
• Gehen Sie mit Ihrem Kind möglichst nicht zwischen parkenden Autos hindurch über eine Straße. Wenn dies ausnahmsweise unvermeidbar ist, halten Sie mit ihrem Kind unbedingt nochmals an der Sichtlinie an und schauen sich erneut in beide Richtungen um.
Wichtig: Die Mehrzahl der Unfälle passiert dort, wo keine Ampel und kein Zebrastreifen ist „durch plötzliches Hervortreten hinter Sichthindernissen“, wie es im Polizeibericht heißt. Das Kind wird von fahrenden Autos erfasst, weil es zwischen parkenden Fahrzeugen plötzlich auf die Straße läuft und nicht rechtzeitig gesehen wird, so dass ein Auto nicht mehr wirksam bremsen kann.
Die meisten Kinder, die als Fußgänger verunglücken, werden in einer Entfernung von weniger als 200 Metern zur Wohnungstür in den Unfall verwickelt. Die größte Gefahr besteht also gerade dort, wo Kinder und Eltern glauben, sich gut auszukennen. Kinder müssen deshalb auch lernen, die Gefahrenstellen ihrer Wohnumgebung zu erkennen und richtig mit diesen umzugehen oder zu vermeiden, betont die Stiftung Kindergesundheit. Sie müssen also verstehen, wo, wann und wie sie die Straße vor der Haustür überqueren können. Vor allem sollten sie wissen, dass sie niemals zwischen geparkten Autos auf die Straße gehen dürfen.
Kinder lernen das richtige Verhalten nur durch ständige Wiederholung. Professor Berthold Koletzko: „Nutzen Sie dazu einfach die alltäglichen Wege – zum Supermarkt, zum Spielplatz, zum Kindergarten, zu Freunden oder auf dem Spaziergang. Mehr noch: Verzichten Sie bewusst auf kürzere Autofahrten. So haben Sie mehr Gelegenheit zum Üben mit Ihrem Kind auf dem Gehweg.“
Ablenkungen durch Smartphones und Kopfhörer führen immer häufiger zu Unfällen im Straßenverkehr. Smartphones lenken vom Verkehrsgeschehen ab, denn Augen, Ohren, Hände und Denkvermögen sind besetzt. Eltern sollten deshalb die Vor- und Nachteile des Smartphones mit ihren Kindern diskutieren und gemeinsam klare Regeln für die Nutzung der Geräte, vor allem auch im Straßenverkehr, setzen. Beim Überqueren der Straße gehört das Telefon in die Tasche.
Zusätzliche Risiken entstehen durch das Aufkommen von E-Autos auf den Straßen, aber auch durch E-Bikes und E-Scooter, die sich auf Fuß- oder Radwegen fast lautlos und dennoch mit hohen Geschwindigkeiten bewegen.
Viele Eltern glauben, dass ihr Kind im Auto sicherer ist als Fußgänger oder Fahrradfahrer im Verkehr. Tatsächlich aber ist das größte Risiko für Kinder, getötet oder schwer verletzt zu werden, die Mitfahrt im Auto, meist im Fahrzeug der Eltern. Aus Angst vor Verkehrsunfällen setzen viele Eltern ihre Kinder paradoxer Weise ausgerechnet diesem Risiko aus, beklagt die Stiftung Kindergesundheit: Sie fahren das Kind mit dem Auto zum Kindergarten, zur Schule oder zu den Spielkameraden und tragen damit zur weiteren Verdichtung des Verkehrs in den Wohngebieten und um die Schulen herum bei.
Besonders hoch ist das Verletzungsrisiko bei unzureichender Sicherung des Kindes im Fahrzeug: Schon bei einem Aufprall in der verkehrsberuhigten Tempo-30-Zone wird ein ungesichertes Kind mit einer Wucht nach vorn geschleudert, die rund dem zehnfachen seines Körpergewichtes entspricht. Das bedeutet bei einem zwölf Kilo schweren Zweijährigen eine Aufprallwucht von 120 Kilo. Das erklärt, warum im Auto ungesicherte Kinder ein sieben Mal höheres Risiko für schwere und tödliche Verletzungen haben als gesicherte Kinder.
Die konsequente Sicherung des Kindes auch auf kurzen Strecken kann in manchen Familien zu einer anstrengenden Angelegenheit werden. Das Kind bockt und quengelt oder schnallt sich einfach wieder ab. Aber: Rund 60 Prozent aller Unfälle ereignen sich gerade im Ortsverkehr, bei Unfällen im Stadtbereich. Die Stiftung Kindergesundheit appelliert deshalb an alle Eltern: Bleiben Sie unnachgiebig und schnallen Sie ihr Kind unbedingt sorgfältig mit dem Sicherheitsgurt an. Wenn von Anfang an kein Erwachsener der Familie und kein Kind ungesichert fährt, lässt sich das Anschnallen konsequent und selbstverständlich durchsetzen und wird zur Gewohnheit für die Kinder.
Die meisten Kinder lieben Autos. Neben „Mama“, „Papa“ und „Wauwau“ gehört „Auto“ bei vielen Babys schon zu den ersten Wörtern. Es liegt an den Erwachsenen, zu verhindern, dass aus dem erklärten Liebling aller Kinder die größte Bedrohung für ihr Leben und ihre Gesundheit wird, betont die Stiftung Kindergesundheit. Um unsere Kinder zu schützen, ist ein aufmerksames Verhalten von allen Teilnehmern im Straßenverkehr unerlässlich und sollte von jedem früh erlernt werden.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.info
Bild/er: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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