Statt Junkfood: Mit Kindern gemeinsam kochen und essen

Stiftung Kindergesundheit informiert: Wie Familien von der Coronakrise profitieren können

Die Daten der aktuellen Kinder- und Jugendgesundheits-Untersuchung KiGGS (Welle 2) lassen eine alarmierende Entwicklung erkennen: 15,4 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren sind übergewichtig, 5,9 Prozent leiden regelrecht unter Fettsucht (Adipositas). Neben mangelnder Bewegung spielen dabei ungesunde Ernährungsgewohnheiten eine zentrale Rolle: Bei Kindern und Jugendlichen steht Fast-Food bedenklich hoch im Kurs, berichtet die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme. Die meisten Fast-Food-Produkte enthalten jedoch viel Fett, hochgradig verarbeitete Kohlenhydrate, viel Salz und versteckten Zucker. Sie werden außerdem häufig zusammen mit zuckerhaltigen Getränken konsumiert, was das Risiko für Übergewicht noch weiter erhöht.

„In den letzten Jahren haben sich die Essgewohnheiten vieler Familien in Deutschland grundlegend verändert“, erläutert der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Selbst zubereitetes Essen kommt seltener auf den Tisch als früher: Nur noch in 68 Prozent der Mehrpersonenhaushalten mit Kindern wird fast täglich gekocht, in jeder dritten Familie gibt es nur ein- bis viermal pro Woche selbstgekochtes Essen. Stattdessen werden immer mehr verarbeitete Produkte in Form von Fertiggerichten, Konserven, ‚Convenience Food’, Fast-Food und anderen, von der Lebensmittelindustrie erzeugten Mahlzeiten verwendet. Dieser Trend hat jedoch eine Reihe eindeutig nachteiliger Folgen für die Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit wichtigen, gesundheitsfördernden Nährstoffen“.

Kulturelle Traditionen gehen verloren

Ebenso bedenklich: Die gemeinsamen Mahlzeiten der Familie werden zunehmend durch einsames Futtern nach Bedarf abgelöst. Professor Berthold Koletzko: „Allein essende Kinder haben jedoch viel öfter Fertiggerichte und Fastfood mit ungünstiger Zusammensetzung auf dem Teller als Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern essen. Viele Kinder konsumieren in der Freizeit und beim Fernsehen nur so nebenbei kalorienreiche Snacks. Der soziale Kontext, die kulturellen Traditionen und der geregelte Rhythmus von Mahlzeiten gehen zunehmend verloren, gleichzeitig wächst die Gefahr, dass mehr gegessen wird, als es einem gut tut“.

Nach den jüngst veröffentlichten Daten der Ernährungsstudie KiGGS-Modul EsKiMo II geben fast alle 12- bis 17-Jährigen (97,8 %) an, mindestens einmal in den letzten vier Wochen Fast-Food verzehrt zu haben. Mädchen konsumieren etwa 400 Gramm und Jungen etwa 600 Gramm Fast-Food pro Woche. Das mengenmäßig am meisten verzehrte Fast-Food ist bei beiden Geschlechtern Pizza, gefolgt von gefülltem Fladenbrot (z. B. Döner, Falafel oder Gyros) und Wurst/Fleischgerichten (z. B. Currywurst, Bratwurst, Bockwurst oder Leberkäse). Erst danach folgen Pommes und Burger auf der Beliebtheitsliste.

Weniger Geld – schlechtere Ernährungsqualität

Wochenlange Kontaktbeschränkungen, Kurzarbeit, Homeoffice, kein Schul- oder Kitabesuch für die Kinder – die Corona-Pandemie hat das Leben aller stark verändert und dürfte in vielen Familien den Trend zu Fertiggerichten verstärkt haben, vermutet Professor Koletzko: „Besondere Risiken bestehen für Kinder, die unter belasteten Bedingungen leben. Wenn zu wenig Geld und zu wenig Wissen vorhanden sind, wenn es keine etablierte Tradition des häuslichen Kochens gibt oder die Wohnbedingungen dies nicht erlauben, kann es sehr schwierig werden. Und wenn dann noch statt des ohnehin knappen Gehaltes für eine Teilzeitbeschäftigung einer alleinerziehenden Mutter mit Kindern nur noch Kurzarbeitergeld da ist, bleibt oft nicht mehr genügend Geld übrig, um die Kinder gut und abwechslungsreich zu ernähren. So kann der Wegfall der Mahlzeiten in Kita oder Schule die Ernährungsqualität des Kindes dramatisch verschlechtern, wenn es zu Hause kein gutes Essen, sondern vor allem sättigendes ‚Junkfood‘ gibt“.

Verstärkt wird das Risiko durch die intensive Nutzung der Bildschirmmedien in den Corona-Tagen: Besonders vor dem Fernsehgerät ist die Gefahr groß, dass Kinder (und Erwachsene) unkontrolliert große Mengen an Kalorien zu sich nehmen durch kalorienhaltige Getränke, Süßigkeiten, Chips oder Nüsse.

Eine Chance für Zuwendung und Familienleben

Gleichzeitig bieten die Kontaktbeschränkungen jedoch nicht nur Risiken, sondern auch große Chancen für Eltern und Kinder, die jetzt zu Hause viel mehr Zeit gemeinsam verbringen, betont Professor Koletzko: „Sie haben jetzt eher die Gelegenheit, gemeinsam zu kochen und zusammen zu essen. Sie können der Auswahl der Speisen und den gemeinsamen Mahlzeiten plötzlich viel mehr Aufmerksamkeit und Zeit widmen“.

Das gemeinsame Essen ist viel mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist auch Futter für die Seele, betont die Stiftung Kindergesundheit. Eine der wichtigsten Funktionen der Familienmahlzeit ist, dass man miteinander redet. Wenn man miteinander isst, ohne dass der Fernseher läuft, erfährt man voneinander. Man beschäftigt sich mit den Kindern, man kann ihnen Zuwendung geben, man erlebt tatsächlich Familienleben. Beim Familientisch haben Kinder und Heranwachsende Gelegenheit, ihre Gedanken, ihre Erlebnisse auszusprechen, eine positive Rückkopplung zu bekommen, verstärkt zu werden, Orientierung zu erhalten.

„Zurzeit ernähren sich viele Familien tatsächlich besser und gesünder als vor den Kontaktbeschränkungen, und sie profitieren zudem vom Zugewinn an gemeinsamen Aktivitäten und Gesprächen“, stellt Professor Koletzko erfreut fest und betont: „Ich möchte diese Familien ermutigen, die positiven Veränderungen ihres Alltags über die Kontaktbeschränkungen hinaus beizubehalten.“

Programme für besseres Essen und mehr Bewegung

Um schon bei Kindern eine nachhaltige Veränderung des Essverhaltens zu bewirken, sind Programme notwendig, die auf Erkenntnissen der Pädagogik und Kommunikationswissenschaft basieren. Solche Programme sind die unter der Leitung der Stiftung Kindergesundheit entwickelten Präventionsprojekte „TigerKids“ und „Rakuns“.

Das Programm „TigerKids – Kindergarten aktiv“ richtet sich an Kindertageseinrichtungen und soll Kinder im Vorschulalter durch eine gesunde Lebensweise fit machen und Übergewicht verhindern. Die „TigerKids“ sollen

  • sich mindestens eine Stunde täglich bewegen;
  • weniger inaktiven Freizeitbeschäftigungen nachgehen;
  • mehr frisches Obst und Gemüse essen;
  • mehr kalorienfreie, ungesüßte Getränke konsumieren;
  • ein gesundes Frühstück in den Kindergarten mitbringen.

Das Projekt „DIE RAKUNS – Das gesunde Klassenzimmer“ ist ein auf wissenschaftlicher Evidenz basierendes Programm zur Gesundheitsbildung in Grundschulen und umfasst die Themenbereiche

  • regelmäßige Bewegung und Entspannung,
  • gesunde Ernährung,
  • positives Körper- und Selbstbewusstsein,
  • tägliche Körperpflege und Körperhygiene,
  • verantwortungsbewusster Umgang mit Medien.

„Sobald die Kitas und Schulen wieder öffnen, gehen wir wieder mit den Projekten „TigerKids“ in die Kindergärten und mit „Die Rakuns“ in die Grundschulen“, kündigt Professor Berthold Koletzko an. „Mit unseren beiden Programmen sollen Kinder wichtige Verhaltensweisen erlernen, die sich langfristig positiv auf ihre Gesundheit auswirken“.

Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de

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