Amerikanische Kinder- und Jugendärzte: „Wir wissen noch zu wenig über Süßungsmittel“
Laut einer neuen Erklärung der amerikanischen Vereinigung der Kinder- und Jugendärzte, American Academy of Pediatrics (AAP), sollten die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Süßungsmitteln weiter erforscht werden, insbesondere, wenn diese von Kindern konsumiert werden. Amerikanische Kinder- und Jugendärzte setzen sich wie deutsche Pädiater für eine verbesserte Lebensmittelkennzeichnung ein.
Manche Forschungsarbeiten lassen einen geringen Nutzen von Zuckerersatzstoffen für Übergewichtige und Diabetiker vermuten, wiederum andere deuten sogar darauf hin, dass kalorienfreie Süßstoffe den normalen Stoffwechsel nachteilig beeinflussen könnten, beschreiben Dr. Carissa Baker-Smith, MD, MPH, von der University of Maryland in Baltimore und ihre Kollegen den derzeitigen Wissensstand.
In Deutschland gilt seit Dezember 2014 die Lebensmittelinformationsverordnung. Seitdem werden Süßstoffe (minimal oder gar keine Kalorien) und Zuckeraustauschstoffe (deutlich kalorienärmer als Zucker) unter dem Begriff „Süßungsmittel“ zusammengefasst. Für sie gelten spezielle Kennzeichnungsvorschriften, es muss u.a. auf die Verwendung hingewiesen werden und auf der Zutatenliste wie bei allen Zusatzstoffen jeweils die Klassenbezeichnung mit Bezeichnung bzw. E-Nummer benannt werden, also beispielsweise „Süßungsmittel Aspartam“ oder „Kaugummi enthält Süßungsmittel (Sorbit)“.
Mehr Forschung gefordert
Die Forschung sollte sich damit beschäftigen, welche Auswirkungen künstliche Süßstoffe auf den Geschmack, die Neuroentwicklung und die Darmflora haben, wie aus der amerikanischen Grundsatzerklärung hervorgeht, die auf der jährlichen Konferenz der AAP vorgestellt und gleichzeitig in der Fachzeitschrift „Pediatrics“ veröffentlicht wurde.
„In dieser Erklärung geht es darum, Informationen für Familien bereitzustellen, damit diese die bestmöglichen Entscheidungen für ihre Familien und Kinder treffen können“, erklärte Baker-Smith gegenüber MedPageToday. „Wir plädieren wirklich dafür, dass die Industrie angibt, wie viel Süßstoff jedes Produkt enthält“, so Baker-Smith.
Die Verwendung von Süßungsmitteln – einschließlich Aspartam und Stevia – hat sich in den letzten Jahren vervierfacht. Obwohl das Vorhandensein von künstlichen Süßungsmitteln in der Regel auf den Produktetiketten angegeben ist, gibt es keine genauen Mengenangaben. Eltern haben somit keine Möglichkeit zu wissen, wie viel ihre Kinder von diesen Substanzen konsumieren, verdeutlicht Baker-Smith.
„Die bisherigen Daten deuten darauf hin, dass wir bei bestimmten Süßungsmitteln die tägliche [empfohlene] Aufnahmemenge einhalten, bei anderen jedoch möglicherweise die tägliche Aufnahmemenge für Süßungsmittel überschreiten“, verdeutlicht Baker-Smith das Problem. „Aber ohne Mengenangaben auf den Produkten ist es für Eltern schwierig, Informationen zu erhalten, und das ist das Ziel – dass Eltern informiert werden.“
Im Hinblick auf die Gewichtskontrolle wurde gezeigt, dass künstliche Süßstoffe, insbesondere bei Kindern mit starkem Übergewicht, nur mäßig wirksam sind. Es wurde eine Studie zitiert, die festgestellt hatte, dass die Gewichtszunahme bei Kindern, die mit „normalem“ Zucker gesüßte Getränke durch kalorienfreie Getränke ersetzten, zwar etwas verringert werden konnte, dass sie aber nicht mehr dadurch abnahmen.
„In Studien, die die Auswirkungen von Süßungsmitteln auf das Gewicht untersuchten, gab es keinen großen Erfolg in Bezug auf einen Gewichtsverlust“, betont Baker-Smith. Es sei jedoch möglich, dass Süßstoffe die Geschmackspräferenzen bei Kindern beeinflussten und dass diejenigen, die große Mengen davon konsumieren, sich stärker an süße Lebensmittel gewöhnten. Dies geht zumindest aus einer Studie hervor, die festgestellt hatte, dass diejenigen, die Süßstoffe konsumieren, später ein höheres Risiko hatten, zu kalorienreichen Lebensmitteln zu greifen, im Vergleich zu denjenigen, die gezuckerte Getränke zu sich genommen hatten.
Die Autoren räumen ein, dass dies (und andere in der Literatur berichtete Zusammenhänge) durch eine umgekehrte Kausalität beeinflusst werden könne, so dass Fettleibigkeit selbst oder Risikofaktoren dafür dazu führen könnten, dass Personen Süßstoffe ohne Kalorien bevorzugen.
Eine Hypothese geht davon aus, dass bestimmte Süßstoffe evtl. nachteilige Auswirkungen auf die Darmflora haben könnten, und Veränderungen in der Struktur und Funktion der Darmflora seien mit einer höheren Neigung zur Entwicklung eines metabolischen Syndroms in Verbindung gebracht worden, heißt es in der Grundsatzerklärung.
Baker-Smith kommentiert, diese Daten seien „vorläufig“ und der Zusammenhang zwischen Darmflora und Fettleibigkeit oder metabolischem Syndrom erfordere weitere Untersuchungen.
Sie macht darauf aufmerksam, dass das Ziel dieser Erklärung nicht sei, sich für oder gegen den Verzehr von Süßungsmitteln bei Kindern einzusetzen, sondern für Eltern die vorhandenen Daten zusammenzutragen, damit diese ihre eigenen fundierten Entscheidungen treffen könnten.
Hintergrund: MedpageToday, Pediatrics, Bundeszentrum für Ernährung
Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
Internet: http://www.kinderaerzte-im-netz.de