Was alle Eltern über Masern wissen sollten
Stiftung Kindergesundheit informiert über die oft unterschätzten Risiken einer besonders ansteckenden Infektionskrankheit
Die Gefahr wächst, mit Masern angesteckt zu werden. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO liegt die Zahl der in den ersten drei Monaten dieses Jahres gemeldeten Fälle um 300 Prozent höher als im Vorjahr. Die Stiftung Kindergesundheit hat deshalb in einer aktuellen Stellungnahme die wichtigsten Fakten zusammengestellt, die alle Eltern über Masern kennen sollten.
„Viele junge Eltern sind sich der Gefährlichkeit dieser Krankheit nicht mehr bewusst“, sagt der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Früher, als es noch keine Impfung gegen Masern gab, kannte man viele Menschen, die durch eine Maserninfektion schwere Schäden und Behinderungen davongetragen haben. Wir Ärzte sehen solche Fälle immer noch in unseren Krankenhäusern. Die jüngere Elterngeneration kennt jedoch kaum noch diese Risiken. Wir müssen deshalb den vielen, sachlich meist falschen, aber beständig wiederholten Behauptungen von Impfkritikern im Internet mit seriösen Informationen begegnen“.
Woran erkennt man Masern?
Masern verlaufen in zwei Phasen. Die ersten Anzeichen sind noch untypisch: Das Kind fühlt sich unwohl, hat Schnupfen und Reizhusten, verquollene und rote Augen und Halsschmerzen. Das Fieber steigt leicht an. Zwei bis drei Tage später zeigen sich auf der Mundschleimhaut gegenüber den Backenzähnen Kalkspritzern ähnliche grauweiße Flecken. Wenn die Flecken da sind, folgt mit großer Sicherheit ein bis drei Tage später auch der Hautausschlag.
Die Flecken sind anfangs klein und hellrot, werden dann immer größer und zahlreicher, verfärben sich bläulich und fließen mehr und mehr zu größeren, geröteten Flecken zusammen. Während des Ausschlags sind auch die Schleimhäute der Augen, der Nase, der Mundhöhle und der Atemwege entzündet. Babys und kleine Kinder können außerdem mit Durchfall und Erbrechen reagieren. Fieberwerte um 40 Grad sind keine Seltenheit.
Wie groß ist die Gefahr einer Ansteckung?
Masern sind eine der ansteckendsten Infektionskrankheiten. Die Viren werden meist durch die Luft durch sehr feine Tröpfchen übertragen. Nahezu jeder Mensch, der noch keine Masern durchgemacht hat, wird von einem mit Masern Infizierten mit 98-prozentiger Sicherheit angesteckt, selbst aus einigen Metern Entfernung. Masernkranke sind schon vier Tage vor dem Erscheinen des typischen Ausschlags ansteckend. Einen Schutz vor Ansteckung bietet nur die Impfung.
Welche Komplikationen sind bei Masern möglich?
Im frühen Kindesalter besteht vor allem die Gefahr von Lungenentzündungen (Masernpneumonie), Mittelohrentzündungen (Otitis media), Vereiterungen der Nebenhöhlen und Entzündungen der Augen. Häufig kommt es auch zu Entzündungen des Kehlkopfes. Am meisten gefürchtet ist aber die Masernenzephalitis (Gehirnentzündung) mit Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen. Sie führt häufig zu bleibenden Hirnschäden, manchmal sogar zum Tod.
Eine weitere schwere Komplikation tritt wesentlich seltener auf, verläuft aber in jedem Falle tödlich: Die so genannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Diese Krankheit setzt schleichend, oft erst Jahre nach der Masernerkrankung ein, führt zu einem fortschreitendem Abbau des Gehirns und seiner Funktionen, und schließlich bei allen Betroffenen zum Tod – eine Heilung ist nicht möglich.
Bedrohen Masern nur kleine Kinder?
Kinder unter zwei Jahren erkranken besonders häufig an Masern, deshalb gilt das Leiden als Kinderkrankheit. Der Begriff ist aber irreführend: Auch Jugendliche und Erwachsene, welche die Masern nicht durchgemacht haben und nicht geimpft sind, können erkranken. Von einer reinen „Kinderkrankheit“ kann deshalb nicht mehr die Rede sein.
Die Masern-Impfung schützt nicht nur vor Masern!
Masernviren entfalten im Organismus zwei einander widersprechende Wirkungen auf das Immunsystem. Dieser Widerspruch wird als „Masern-Paradoxon“ bezeichnet. Seine Entstehungsweise ist noch nicht genau geklärt.
Zum einen lösen die Viren eine gezielte Immunabwehr gegen sich selbst aus. Das ist der Grund, weshalb nach einer durchgemachten Maserninfektion ein lebenslanger Schutz vor der Krankheit besteht.
Zum anderen bewirken sie aber auch eine generelle Schwächung des Immunsystems, die mehrere Wochen bis Monate nach dem Ende der eigentlichen Erkrankung dauern kann. In dieser Zeit besteht eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen mit anderen Viruskrankheiten, sowie Bakterien, Pilzen oder Parasiten. Das bedeutet: Sonst eher harmlose Infektionen können nach Masern gefährlich werden. Dieser Vorgang könnte die häufigen Todesfälle durch andere Erreger nach einer Masernerkrankung erklären. Vor allem in der Dritten Welt sterben viele Masernkranke an anderen, zusätzlichen Infektionen.
Durch die Impfung gegen Masern wird dagegen das Immunsystem nicht beeinträchtigt: Es kann also weiterhin feindliche Erreger erkennen und bekämpfen, bevor sie Schaden anrichten. So entfaltet die gut verträgliche und effektive Impfung eine zusätzliche Wirkung: Epidemiologen registrierten nach Einführung der Masernimpfung auch in europäischen Ländern nicht nur einen enormen Rückgang von Masern, sondern auch eine Halbierung der Todesfälle durch andere Infektionskrankheiten.
Eine aktuelle Untersuchung der Daten von fast 300.000 Kindern in Dänemark ergab: Kinder mit einer abgeschlossenen Grundimmunisierung mussten danach wesentlich seltener wegen einer Infektion für zwei oder mehr Tage in einem Krankenhaus behandelt werden. Die Masern-Impfung verhindert also nicht nur die durch die Masern verursachten Komplikationen, sondern schützt auch das Immunsystem.
Warum müssen Masern gemeldet werden?
Masernerkrankungen müssen aus gutem Grund unverzüglich an das zuständige Gesundheitsamt gemeldet werden: Es ist äußerst wichtig, die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. So können die Behörden umgehend wichtige Maßnahmen zum Schutz anderer Menschen einleiten: Sie informieren die möglicherweise betroffenen Kitas, Schulen, Kliniken, Ärzte und die Bevölkerung.
Die Meldepflicht dient insbesondere dem Schutz von Menschen, bei denen keine Impfung gegen Masern durchgeführt werden kann, zum Beispiel Schwangere oder Menschen, die aufgrund einer so genannten Kontraindikation nicht geimpft werden können, zum Beispiel bei einer angeborenen Immunstörung oder weil sie wegen einer bösartigen Krankheit eine immunitätsunterdrückende Behandlung erhalten. Auch junge und deshalb nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission STIKO noch nicht vollständig geimpfte Babys und kleine Kinder im ersten und zweiten Lebensjahr müssen vor einer Ansteckung geschützt werden, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Können Masern tödlich enden?
Leider ja. Weltweit gehören die Masern immer noch zu den führenden Todesursachen bei Kindern unter fünf Jahren. Sie verursachen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 130.000 bis 160.000 Todesfälle pro Jahr. Im Jahr 2018 traten in 10 Ländern Europas 72 Sterbefälle in Verbindung mit Masern auf: in Albanien 3, in Frankreich 3, in Georgien 3, in Griechenland 2, in Italien 7, in Kirgisistan 2, in Rumänien 22, in der Russischen Föderation 1, in Serbien 14 und in der Ukraine 15. 61 Prozent dieser Sterbefälle betrafen Kinder unter zehn Jahren. Über 58.000 masernkranke Personen waren so schwer erkrankt, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden mussten.
Welche Nebenwirkungen kann die Impfung haben?
Der meist verwendete kombinierte MMR-Impfstoff enthält abgeschwächte lebende Masern-, Röteln- und Mumpsviren sowie Stoffe zur Stabilisierung und Konservierung des Impfstoffs. Er enthält kein Quecksilber und kein Aluminium.
Wie nach jeder Impfung ist eine vorübergehende Lokalreaktion an der Einstichstelle möglich: Schmerz, Rötung, Schwellung. Gelegentlich können Fieber, rote Hautflecken oder eine Schwellung der Speicheldrüsen auftreten. Sehr selten kann hohes Fieber zu einem Fieberkrampf führen, der in der Regel harmlos ist. Noch seltener kann die MMR-Impfung eine vorübergehende Abnahme der Blutplättchen zur Folge haben. Schwere Nebenwirkungen wie eine Hirnentzündung sind extrem selten. Bei Frauen, die sich nach der Pubertät impfen lassen, treten gelegentlich vorübergehende Gelenkschmerzen auf. Schwerwiegende Komplikationen infolge von Masern treten jedoch eindeutig häufiger auf als unerwünschte Nebenwirkungen der Impfung, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Was bedeutet eigentlich Gemeinschaftsschutz?
„Es geht dabei um den Schutz für alle“, sagt Professor Berthold Koletzko. „Eine Impfung schützt nicht nur das geimpfte Kind selbst vor einer Ansteckung: Da dieses Kind die Krankheit nicht mehr verbreitet, kann es andere Menschen nicht in Gefahr bringen. So werden auch noch nicht geimpfte Babys und unfreiwillig nichtgeimpfte Kinder und Erwachsene mitgeschützt“.
Auch Epidemien werden so verhindert: Wenn genügend Menschen geimpft sind (es sollten mindestens 95 Prozent sein), reißt die Übertragungskette ab und die Krankheit kann sich nicht weiter verbreiten. Die Impfung kann deshalb als ein Akt der Solidarität betrachtet werden. Nach Berechnungen der WHO hat die Impfung gegen Masern seit dem Jahr 2000 mehr als 21 Millionen Leben gerettet.
Der dafür oft verwendete Fachbegriff „Herdenimmunität“ ist allerdings unglücklich gewählt: Menschen sind nun einmal keine Herde. Fachleute sollten statt von „Herdenimmunität“ besser von „Gemeinschaftsschutz“ sprechen, empfiehlt die Stiftung Kindergesundheit. Das würde viel stärker die Sinnhaftigkeit von Impfungen betonen.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
Bild/er: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0