U1 bis J1: Vorsorge erspart große Sorgen
Stiftung Kindergesundheit informiert über die wichtigste Präventionsmaßnahme für alle Kinder
Das Kinderticket zur Gesundheit ist gelb: Nach der Geburt eines Kindes wird den Eltern von der Entbindungsstation oder der Hebamme ein gelbes Kinder-Untersuchungsheft ausgehändigt. Dieses „Gelbe Heft“ begleitet heute über elf Millionen Kinder bis zum 15. Geburtstag zu allen wichtigen Vorsorgeterminen. Und es wird auch fleißig in Anspruch genommen, berichtet erfreut die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Heute nehmen fast alle Kinder an den zehn Früherkennungs-Untersuchungen teil. All diese Untersuchungen sind Kassenleistungen und für die Eltern kostenlos.
„Unsere Früherkennungsuntersuchungen sind ein Meilenstein der Prävention“, sagt Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Sie sind wichtig, damit mögliche Krankheiten bereits früh erkannt und entsprechend behandelt werden. Dann sind die Aussichten auf eine Heilung oft besonders groß. Seit seiner Einführung hat sich das Programm der Kindervorsorge zu einem einmaligen Erfolgsmodell entwickelt“.
Zu Beginn im Jahre 1971 gab es insgesamt sieben Untersuchungen auf Krankheiten und Entwicklungsstörungen. Im Verlauf kamen weitere Untersuchungen dazu. Mittlerweile werden von den Krankenkassen die Kosten von elf Untersuchungen von der Geburt bis zum 14. Lebensjahr übernommen: Die U1 bis U9 sowie die Jugendgesundheitsuntersuchung J1. Lassen Sie sich durch die Zahlen aber bitte nicht irritieren, betont die Stiftung Kindergesundheit: Es sind wirklich elf Untersuchungen. Ein erst 2008 hinzugekommener weiterer Vorsorge-Termin im 34. bis 36. Lebensmonat wurde als „U7a“ eingeführt.
Neben den gesetzlich festgelegten Untersuchungen des U-Untersuchungsprogramms bieten eine Reihe von Krankenkassen zusätzliche Untersuchungen, insbesondere für Kinder im Grundschulalter (U10 und U11) und für Jugendliche (J2) an. Die Kosten werden von einzelnen Krankenkassen als freiwillige Leistung übernommen.
Fast alle Eltern machen mit
Die Akzeptanz der Kindervorsorge ist viel höher als die für die Früherkennungsuntersuchungen im Erwachsenenalter. Nach den Daten der großen bundesweiten Untersuchung zur Kindergesundheit „KiGGS Welle 2“ liegen die Teilnahmequoten an den meisten Früherkennungsuntersuchungen bei über 95 Prozent. So haben an der U1 und U2 99,7 Prozent beziehungsweise 99,6 Prozent und an der U8 und U9 98,0 Prozent beziehungsweise 98,1 Prozent der Kinder teilgenommen. Der Vergleich mit den vorausgegangenen KiGGS-Erhebungen zeigt, dass die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Gleichzeitig haben sich die früher stark ausgeprägten sozialen Unterschiede verringert.
Die einzelnen U-Untersuchungen bestehen – neben speziellen Screening-Untersuchungen auf bestimmte Erkrankungen – aus körperlichen Untersuchungen des Kindes sowie einer Beratung der Eltern. Die körperliche Untersuchung des Kindes umfasst eine Vielzahl an Details, wie zum Beispiel Gewicht, Körperlänge, altersgerechte Entwicklung, Untersuchung einzelner Organe, des Kopfes und des Bewegungsapparates.
Bei der Beurteilung der Entwicklung untersucht die Ärztin oder der Arzt die Grob- und Feinmotorik, die Sinnesorgane und die Wahrnehmung, die soziale und emotionale Kompetenz des Kindes und die Interaktion des Kindes mit den Eltern. Ergeben diese den Verdacht auf eine Störung, wird eine weitergehende, gezielten Diagnostik und wenn nötig, eine Behandlung eingeleitet. Teil der Untersuchung ist auch die Überprüfung des Impfstatus und die Beratung zur Verbesserung des Impfschutzes des Kindes.
Viele Störungen werden rechtzeitig aufgespürt
Auffällige Befunde bei den Kindervorsorgen sind seit vielen Jahren rückläufig. Wie wichtig die Vorsorgeuntersuchungen dennoch sind, zeigt dagegen folgende Zahl: Jeder fünfte Fall (21 Prozent) einer kindlichen Entwicklungsstörung wird bei einer Vorsorgeuntersuchung entdeckt.
Die U-Termine im ersten Lebensjahr fördern vor allem organische Fehlbildungen wie Hüftgelenksanomalien, zerebrale Bewegungsstörungen, Fehlbildungen des Herzens und der Harnorgane zutage. In den höheren Altersstufen entdecken die Ärzte vor allem Sprach- und Sprechstörungen, Entwicklungsstörungen, Schielen, Bewegungsstörungen und intellektuelle Defizite.
Eine dem Gelben Heft beigefügte Karte erleichtert es Eltern, bei Bedarf nachzuweisen, dass das Kind an allen empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen teilgenommen hat – ohne dass dabei persönliche Befunde gezeigt werden müssen. Die Karte eignet sich z.B. zur Vorlage bei der Kita, der Schule oder dem Jugendamt. Die Karte dient auch als Bestätigung, dass die Beratung zur Impfung durchgeführt wurde.
Auch Teenager sollten zur Vorsorge!
Ein Problem lässt sich allerdings nur schwer beseitigen: Während die Kinder im Vorschulalter regelmäßig einer Ärztin oder einem Arzt vorgestellt werden, haben Jugendliche oft „keinen Bock“, zum Arzt zu gehen. Die allen Heranwachsenden vom 12. bis zum 15. Geburtstag angebotene Jugendgesundheitsuntersuchung J1 wird von der Mehrzahl der Teenager nicht wahrgenommen. Viele wissen nicht einmal, dass es sie gibt.
Dabei werden bei dieser Untersuchung öfter einige bis dahin unerkannt schlummernde gesundheitliche Probleme entdeckt. Dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen der Schilddrüse, der Geschlechtsorgane oder die Skoliose, eine fortschreitende Verkrümmung der Wirbelsäule. Besprochen werden auch Probleme von Sexualität und Verhütung.
Unter Beteiligung der Stiftung Kindergesundheit wurde deshalb in Bayern eine mediale Informationskampagne ins Leben gerufen. Ihr Motto lautete: „Dein Ticket zur J1“.
Die crossmediale Kampagne mit speziell auf die Altersgruppe der 12- bis 14-Jährigen zugeschnittenen Informationsmaterialien wie eigene Webseite, Animationsspot und Flyer erwies sich als ausgesprochen erfolgreich, berichtete die Leiterin des Projekts, Dr. med. Uta Nennstiel-Ratzel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf dem letztjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin DGKJ in Leipzig: Während die bayernweite Teilnehmerrate an der J1 mit Werten unter 40 Prozent weiterhin auf einem niedrigen Niveau liegt, ist sie in den beiden, an der Kampagne beteiligten Landkreisen um 9,1 bzw. 16 Prozent gestiegen.
Die Stiftung Kindergesundheit appelliert an alle Eltern, nach Möglichkeit alle angebotenen Vorsorgetermine für ihr Kind lückenlos wahrzunehmen. Professor Berthold Koletzko: „Effektive Vorsorgemaßnahmen im Kindesalter können die Gesundheit lebenslang nachhaltig verbessern. Jede einzelne Vorsorge ist wichtig und kommt der Gesundheit Ihres Kindes zugute“.
Diese Vorsorgen werden von allen Krankenkassen bezahlt
U1 Neugeborenen-Erstuntersuchung
Erkennen von lebensbedrohlichen Komplikationen und sofort behandlungsbedürftigen Erkrankungen und Fehlbildungen, Schwangerschafts-, Geburts- und Familienanamnese (Vorgeschichte), Kontrolle von Atmung, Herzschlag, Hautfarbe, Reifezeichen.
U2 3. – 10. Lebenstag
Erkennen von angeborenen Erkrankungen und wesentlichen Gesundheitsrisiken, Vermeidung von Komplikationen: Anamnese und eingehende Untersuchung von Organen, Sinnesorganen und Reflexen.
U3 4. – 5. Lebenswoche
Prüfung der altersgemäßen Entwicklung der Reflexe, der Motorik, des Gewichts und der Reaktionen, Untersuchung der Organe, Abfrage des Trink-, Verdauungs- und Schlafverhaltens, Untersuchung der Hüftgelenke auf Hüftgelenksdysplasie und –luxation.
U4 3. – 4. Lebensmonat
Untersuchung der altersgerechten Entwicklung und Beweglichkeit, der Organe, Sinnesorgane, Geschlechtsorgane und der Haut, Untersuchung von Wachstum, Motorik und Nervensystem.
U5 6. – 7. Lebensmonat
Untersuchung der Organe, Sinnesorgane, Geschlechtsorgane und der Haut, von Wachstum, Motorik und Nervensystem.
U6 10. – 12. Lebensmonat
Untersuchung der altersgemäßen Entwicklung, der Organe, Sinnesorgane (insbesondere der Augen), Kontrolle des Bewegungsapparates, der Motorik, der Sprache und der Interaktion.
U7 21. – 24. Lebensmonat
Untersuchung der altersgemäßen Entwicklung, Erkennen von Sehstörungen, Test der sprachlichen Entwicklung, Feinmotorik und Körperbeherrschung. U7a 34. – 36. Lebensmonat Schwerpunkt auf altersgerechte Sprachentwicklung, frühzeitige Erkennung von Sehstörungen.
U8 46. – 48. Lebensmonat
Intensive Prüfung der Entwicklung von Sprache, Aussprache und Verhalten, Untersuchung von Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit, Reflexen, Muskelkraft und Zahnstatus.
U9 60. – 64. Lebensmonat
Prüfung der Motorik und Sprachentwicklung, um eventuelle Krankheiten und Fehlentwicklungen vor dem Schuleintritt zu erkennen und zu heilen.
J1 13. – 14. Lebensjahr
Untersuchung des allgemeinen Gesundheitszustands und der Wachstumsentwicklung, der Organe und des Skelettsystems, Erhebung des Impfstatus, Untersuchung des Stands der Pubertätsentwicklung, der seelischen Entwicklung und des Auftretens von psychischen Auffälligkeiten, von Schulleistungsproblemen und gesundheitsgefährdendem Verhalten (Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum), Beratung zur Vermeidung gesundheitsschädigender Verhaltensweisen und Tipps für eine gesunde Lebensführung.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
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