Verbraucherorganisation fordert: Andere Länder müssen nachziehen!
„Frau Hinz tut das einzig Richtige: Die absurde Praxis, mit Steuergeldern die Fehlernährung von Kindern zu fördern, hat in Hessen bald ein Ende. Daran sollten sich die Regierungen in Berlin, Brandenburg und NRW ein Beispiel nehmen und Zuckermilch nicht länger subventionieren“, forderte Oliver Huizinga, Leiter Recherche und Kampagnen bei foodwatch. „Kinder essen viel zu viel Zucker. Wer das mit Steuergeldern auch noch fördert, betreibt verantwortungslose Politik auf Kosten der Kindergesundheit“, so Huizinga.
Die Europäische Union will aus gesundheitlichen Gründen nur noch Produkte ohne Zuckerzusatz im Rahmen des Schulprogramms fördern. foodwatch-Recherchen zufolge hatten jedoch die vier genannten Bundesländer Ausnahmeregelungen geschaffen, um weiterhin auch gezuckerte Produkte subventionieren zu können – obwohl dies sogar den offiziellen, von der Bundesregierung initiierten Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die Schulverpflegung widerspricht.
Damit soll in Hessen nun bald Schluss sein. In einem Schriftwechsel mit foodwatch im Vorfeld der öffentlichen Kritik hatte das Ministerium von Priska Hinz noch erklärt, dass die Subvention von Kakao als erforderlich angesehen werde, „um das Angebot insbesondere für Schulen und Lieferanten attraktiv zu halten“. Ähnlich hatte auch das Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung in Brandenburg (LELF), das das Programm für die Bundesländer Berlin und Brandenburg umsetzt, gegenüber foodwatch argumentiert. Die „Überlegung“ sei, dass bei „Ausschluss der Milchmischgetränke“ von der Förderung „noch weniger Schulmilchprodukte nachgefragt“ würden. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte erklärt, dass „viele Kinder keine Milch, sondern Kakao“ trinken würden. „Insbesondere diese Kinder sollen mit dem weiterhin bestehenden Angebot von Kakao unterstützt werden“, so das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Auf die Offenen Briefe sowie die öffentliche Kritik folgte bisher keine Reaktion aus Berlin, Brandenburg und NRW. Die E-Mail-Aktion an die zuständigen Landesminister unter www.aktion-schulmilch.
„Die verbliebenen drei Bundesländer folgen offenbar der Logik: Besser Zucker-Milch als keine Milch. Das ist hanebüchen. Wenn Kinder kein Obst essen möchten, gibt man ihnen doch auch keine Obsttorte als Ersatz. Offensichtlich haben die Landesregierungen vor allem die Absatzförderung für die Milchwirtschaft im Blick und nicht die Gesundheit der Kinder. Damit muss Schluss sein“, forderte Oliver Huizinga.
Zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 hat die EU ihr Förderprogramm für das Schul- und Kitaessen überarbeitet. Im Rahmen dieses Programms fördert die EU die vergünstigte oder kostenlose Abgabe von Obst, Gemüse und Milchprodukten in Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten. Die in Deutschland zuständigen Bundesländer können die Mittel dafür bei der EU beantragen, wovon die meisten auch Gebrauch machen. Seit der Reform dürfen die subventionierten Lebensmittel keine Zusätze von Zucker, Salz, Fett oder Süßungsmitteln enthalten. In der Begründung für diese Änderungen verweist die EU ausdrücklich auf die Zunahme der Zahl fettleibiger Kinder. Allerdings lässt die EU-Verordnung es zu, dass Mitgliedstaaten Ausnahmen von dieser Regelung schaffen. Recherchen von foodwatch hatten ergeben, dass die meisten Bundesländer eine Förderung gezuckerter Milchprodukte ausschließen. Berlin, Brandenburg, Hessen und NRW haben jedoch entsprechende Ausnahmegenehmigungen zur Förderung gezuckerter Milchprodukte geschaffen. Es handelt sich dabei um jene vier Länder, in denen FrieslandCampina als Schulmilchlieferant auftritt. Das Unternehmen – einer der größten Molkereien Deutschlands – beliefert insgesamt rund 5.000 Schulen.
Neben einer Korrektur der Schulmilchprogramme forderte foodwatch alle Bundesländer auf, Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für das Schul- und Kitaessen verpflichtend einzuführen. Die meisten Bundesländer lehnten das bislang aus Kostengründen ab. Zudem müssten Werbe- und Sponsoringaktivitäten der Lebensmittelindustrie in den Schulgesetzen verboten werden.
15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gelten als übergewichtig – ein wesentlicher Grund dafür ist eine unausgewogene Ernährung. Besonders der zu hohe Konsum gezuckerter Lebensmittel wird von Ernährungswissenschaftlern, der Ärzteschaft und der Weltgesundheitsorganisation gleichermaßen bemängelt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sieht in ihren offiziellen Empfehlungen für die Verpflegung in Schulen keine Abgabe von Milchprodukten mit Zuckerzusatz vor.
Quelle: foodwatch
Internet: www.foodwatch.de
Bild/er: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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