Selbstverletzendes Verhalten: Raten unter deutschen Jugendlichen besorgniserregend hoch

25 bis 35% der Jugendlichen in Deutschland haben sich mindestens einmal in ihrem Leben absichtlich Verletzungen, ohne Selbstmord begehen zu wollen, zugefügt – einige davon taten dies sogar regelmäßig. Mit diesen Zahlen gehört Deutschland zu den Ländern mit den höchsten Prävalenzraten für selbstverletzendes Verhalten in Europa.

In einer aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes stellten Professor Paul L. Plener und seine Mitautoren vom Universitätsklinikum Ulm die neuesten Erkenntnisse zur Selbstverletzung ohne Tötungsabsicht (nicht-suizidal) bei Jugendlichen vor und diskutieren auch eine leitlinienkonforme Therapie (Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 23-30).

Professor Plener und seinen Kollegen zufolge dient selbstverletzendes Verhalten oft dazu, unangenehme emotionale Zustände zu regulieren. Für dieses Verhalten wurden eine Reihe von Risikofaktoren identifiziert. Zu den wichtigsten Risikofaktoren gehören Mobbing, psychiatrische Erkrankungen sowie Missbrauch und Vernachlässigung in der Kindheit. In den letzten Jahren hat die neurobiologische Forschung gezeigt, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, mit Stress umzugehen. Sie reagieren im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen ungewöhnlich darauf. Experten entdeckten zudem, dass bei Personen, die sich wiederholt selbst verletzten (ohne sich umbringen zu wollen) anscheinend die Schmerzschwelle erhöht.

Die Behandlung basiert in erster Linie auf Psychotherapie. Dabei müssen auch psychische Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) berücksichtigt werden. Durch den Einsatz psychotherapeutischer Interventionen kann die Häufigkeit von Selbstverletzungen erfolgreich reduziert werden. Bisher hat keiner der therapeutischen Ansätze eine klare Überlegenheit gezeigt. Allerdings zeigten randomisierte kontrollierte Studien bei Jugendlichen kleine bis mittlere Effekte nach kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), Dialektisch-Behavioraler Therapie (DBT, auch dialektische Verhaltenstherapie) und nach mentalisierungsbasierter Therapie (MTB).

Es wurde bisher noch keine psychoaktive Substanz gefunden, die eine spezifische Wirksamkeit bei der Behandlung von Selbstverletzungen besitzt.

Selbstverletzendes Verhalten (ohne Selbstmordabsicht) ist definiert als direkte, wiederholte, sozial unannehmbare Schädigung von Körpergeweben. Zu diesem Zweck schneiden, zerkratzen oder verbrennen betroffene Jugendliche beispielsweise die Hautoberfläche oder stoßen absichtlich gegen etwas, um sich Haut und Knochen zu verletzen. Selbstverletzung kann auch in Erscheinung treten, wenn fälschlicherweise eine Straftat gemeldet wird.

Quelle: EurekAlert! Ärzteblatt

Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
Internet: http://www.kinderaerzte-im-netz.de

 

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