Warum Stillen das Beste ist für Mutter und Baby
Die Stiftung Kindergesundheit informiert über die Vorteile der Muttermilch
Geht’s nach Babys Willen, würden alle stillen, lautet ein Lieblingsspruch von Stillberaterinnen. Der Wunsch geht immer häufiger in Erfüllung, vermeldet die in München beheimatete Stiftung Kindergesundheit: Der Anteil der Kinder in Deutschland, die nach der Geburt von ihrer Mutter an der Brust genährt werden, ist im Verlauf von sechs Jahren von 77 Prozent auf 83 Prozent angestiegen. Das geht aus der Analyse der Daten für die große Gesundheitsstudie KiGGS hervor.
„Zum Jubeln gib es allerdings keinen Grund“, betont Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung der Kindergesundheit und Mitglied der Nationalen Stillkommission: „Auf den erfreulichen Anstieg der Stillraten unmittelbar nach der Entbindung folgt nämlich ein rascher Abfall der Stillhäufigkeit schon in den ersten Lebensmonaten“.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt allen Müttern, ihr Baby sechs Monate lang ausschließlich zu stillen. Das heißt, ausschließlich Muttermilch ohne weitere Kost zu füttern, auch nicht Tees oder Säfte. Die Zielvorgabe der deutschen Stillkommission lautet „ausschließliches Stillen in den ersten vier bis sechs Monaten“.
Die Wirklichkeit sieht anders aus, berichtet die Stiftung Kindergesundheit: Im Alter von drei bis vier Monaten werden noch 64 Prozent der deutschen Säuglinge gestillt und 29 Prozent voll gestillt. Mit sechs Monaten bekommen nur noch 57 Prozent der Babys die Brust und die Zahl der immer noch ausschließlich gestillten Babys sinkt dann auf ganze 19 Prozent. „Das von der Stillkommission angestrebte Ziel des Stillens für mindestens vier und höchstens sechs Monate wird also von der Mehrzahl der Kinder nicht erreicht“, bedauert Professor Koletzko.
Mit dem mageren Ergebnis steht Deutschland allerdings nicht allein: „Europa hat im weltweiten Vergleich die niedrigste Stillrate aller Kontinente. Hier werden weniger als 25 Prozent der Säuglinge im Alter von sechs Monaten ausschließlich gestillt“, sagt Professor Koletzko, Stoffwechselspezialist der Universitätskinderklinik München. „Wir müssen uns deshalb gemeinsam mit den anderen europäischen Ländern um eine bessere Umsetzung der Strategien für die Unterstützung, den Schutz und die Förderung des Stillens bemühen“.
Dabei gilt das Stillen nach wie vor als das Beste für Mutter und Kind, betont der Münchner Kinder- und Jugendarzt mit großem Nachdruck. Die Muttermilch ist optimal an die Bedürfnisse des Babys angepasst und liefert die für Wachstum und gesunde Entwicklung wichtigen Nährstoffe. Muttermilch ist hygienisch einwandfrei und richtig temperiert. Sie ist praktisch, weil sie immer verfügbar ist, und sie kostet nichts.
Muttermilch ist die beste Medizin
Muttermilch verringert das Risiko des Kindes, mit gefährlichen Krankheiten angesteckt zu werden. Sie enthält eine Reihe von Abwehrstoffen, die miteinander zusammenwirken und Infektionen und Entzündungen verhindern können. So kann das Risiko eines gestillten Babys, an akuten Magen-Darm-Infekten zu erkranken, um die Hälfte bis zu einem Drittel reduziert werden.
Auch die Gefahr von schmerzhaften Mittelohrentzündungen wird durch das Stillen verringert, erläutert der Vorsitzende der Stiftung Kindergesundheit. So hat eine Metaanalyse von Studien aus Industrieländern gezeigt, dass Kinder mit ausschließlicher Flaschennahrung doppelt so häufig an akuter Otitis media erkranken als drei bis sechs Monate ausschließlich gestillte Kinder. So könnten bei 100 über sechs Monate gestillten Kindern verglichen mit einer Flaschenernährung ungefähr 13 Erkrankungen an einer Mittelohrentzündung verhindert werden.
Stillen senkt die Gefahr des gefürchteten plötzlichen Krippentodes SIDS um 15 bis 36 Prozent. Das bedeutet, dass so ein Todesfall auf etwa 10.000 gestillte Kinder verhindert wird. Bei Asthma werden zwei von hundert spätere Erkrankungen durch die Muttermilch verhindert, bei der Neurodermitis bleibt etwa drei von hundert Kindern die Krankheit erspart. Länger gestillte Kinder haben um 12 Prozent seltener Übergewicht. Zudem erkranken sie seltener an einem Typ-2-Diabetes. Das Stillen fördert außerdem die seelisch-emotionale Bindung zwischen der Mutter und ihrem Kind, heißt es in der aktuellen Stellungnahme der Stiftung Kindergesundheit.
Die positiven Auswirkungen der Muttermilch auf das Denkvermögen lassen sich noch Jahrzehnte später in Intelligenztests festmachen: Früher gestillte Jugendliche und Erwachsene schneiden in IQ-Testen um zwei bis drei Punkte besser ab. Eine Studie bei 30-Jährigen ergab bei früher Gestillten einen um 3,8 Punkte höheren IQ-Wert. Diese Menschen absolvierten auch eine um 0,9 Jahre längere Ausbildung und konnten so ein um 23 Prozent höheres Einkommen erzielen – dank Muttermilch!
Stillen tut auch Mama gut
Für die Mütter selbst hat das Stillen ebenfalls viele Vorteile:
Weniger Aufwand. Stillen spart Arbeit und Zeit und ist umweltfreundlich.
Mehr Unabhängigkeit. Die Milch für das Baby ist auch unterwegs jederzeit und überall steril und richtig temperiert verfügbar. Und sie kostet nichts!
Schneller wieder schlank. Die Gebärmutter bildet sich nach der Geburt rascher zurück, der Wochenfluss hört schneller auf. Das während der Schwangerschaft angelagerte Körperfett wird durch die Bildung der Milch schneller abgebaut und der Bauch wird schneller wieder flacher.
Schutz vor Krankheiten. Frauen erkranken während der Stillzeit seltener an Infektionen als nicht stillende Mütter. Das Risiko der Mutter verringert sich, später an Eierstock-, Brustkrebs oder Osteoporose zu erkranken. Durch Stillen sinkt das Risiko für späteren Brustkrebs um vier Prozent.
Gebildete und ältere Frauen stillen länger
Die Analyse der KiGGS-Daten ergab einen engen Zusammenhang zwischen mütterlichem Bildungsgrad und Stillverhalten. Von den Vorteilen der Muttermilch profitieren besonders die Babys von Frauen mit mittlerer oder höherer Bildung und einem höheren Alter, berichtet die Stiftung Kindergesundheit: Sie stillen ihre Kinder deutlich häufiger ausschließlich oder voll. Die Dauer des ausschließlichen Stillens steigt bei allen Jahrgängen mit dem Alter der Mutter.
Für das seltenere Stillen bei Müttern mit niedrigem Einkommen und Bildungsstand gibt es mehrere Gründe: Diese Frauen müssen schneller wieder zur Arbeit zurückkehren und haben oft ein stressreiches familiäres Umfeld. Es mangelt ihnen auch an Unterstützung durch das soziale Umfeld und den Freundeskreis. Außerdem schämen sich viele von ihnen vor dem Stillen in der Öffentlichkeit.
Die Förderung des Stillens ist eine wichtige Aufgabe für das Gesundheitswesen, denn eine zu frühzeitige Beendigung des Stillens hat ernste Nachteile für die Gesundheit von Frauen und ihren Kindern, resümiert die Stiftung Kindergesundheit. Sie empfiehlt verstärkte öffentliche Informationen über den hohen gesundheitlichen Wert des Stillens und intensive Schulungen von Fachkräften in Einrichtungen des Gesundheitswesens und auf Gemeindeebene. Außerdem sollten die gesetzlichen Begrenzungen des Marketings für Muttermilchersatzprodukte konsequent umgesetzt und die Einrichtung von Muttermilchbanken, die Spendermilch für kleine Frühgeborene zur Verfügung stellen können, finanziell unterstützt werden.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
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