foodwatch macht wiederholte Hygienemängel in Lebensmittelbetrieben öffentlich
Verbraucherorganisation fordert von Bundesländern Transparenz bei Lebensmittelkontrollen
Verschmutzte Arbeitsgeräte, verschimmelte Lagerräume, Käferbefall: Die Verbraucherorganisation foodwatch hat bislang unveröffentlichte amtliche Kontrollberichte online gestellt, die ekelerregende Zustände in bayerischen Lebensmittelbetrieben offenbaren.
Es handelt sich dabei um 14 Betriebe aus ganz Bayern, die bereits einmal gegen lebensmittelrechtliche Vorgaben verstoßen hatten – und dann erneut bei Kontrollen auffällig wurden. Die zuständige Landesbehörde hatte 2016 und 2017 gezielt Sonderkontrollen in 30 Lebensmittelunternehmen durchgeführt, bei denen in der Vergangenheit gravierende Mängel beanstandet wurden – bei jedem zweiten dieser Betriebe stellten die Kontrolleure abermals Verstöße fest. Aus den Kontrollberichten geht etwa hervor, dass Schlachtereien mit verschmutzten Arbeitsgeräten und unhygienischer Arbeitskleidung arbeiteten, in einer Obstkelterei standen offene Lagertanks in einem stark verschimmelten Kellergewölbe, in einer Backstube tummelten sich Käfer und Mäuse. Die Verbraucherinnen und Verbraucher erfuhren davon jedoch nichts. Das Problem besteht nicht nur in Bayern, betonte foodwatch: Bundesweit wird etwa jeder vierte Lebensmittelbetrieb bei amtlichen Kontrollen beanstandet – welche Betriebe betroffen sind, bleibt aber in der Regel geheim.
„Hygieneverstöße in Lebensmittelbetrieben sind ein bundesweites Problem. Die Ergebnisse aus Bayern machen deutlich: Ohne Transparenz funktioniert das Kontrollsystem nicht. Jeder zweite kontrollierte Betrieb wies wiederholt Hygienemängel auf – das zeigt: Lebensmittelkontrollen wirken kaum abschreckend, wenn ihre Ergebnisse nicht veröffentlicht werden“, erklärte Johannes Heeg von foodwatch. Denn die zuständigen Behörden hatten zwar Maßnahmen zur Behebung der Hygienemängel angeordnet. Die Namen und Kontrollberichte der betroffenen Betriebe blieben allerdings unter Verschluss. foodwatch forderte die Bundesländer auf, für mehr Transparenz in der Lebensmittelüberwachung zu sorgen. Vorbild müsse das erfolgreiche „Smiley-System“ aus Dänemark sein. Dort sind Lebensmittelbetriebe verpflichtet, die Kontrollergebnisse mithilfe eines Smiley-Schemas an der Eingangstür auszuhängen. „Die Behörden in Deutschland decken die Schmuddelbetriebe auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher und der sauber arbeitenden Unternehmen. Die Landesregierungen müssen per Landesgesetz für Transparenz sorgen: Wie in Dänemark müssen alle Ergebnisse von Hygienekontrollen veröffentlicht werden. Erst ein Aushang der Kontrollergebnisse an der Ladentür schafft einen Anreiz für Lebensmittelbetriebe, sich jeden Tag an die Hygieneregeln zu halten“, sagte Johannes Heeg von foodwatch.
2016 und Anfang 2017 hatte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Schwerpunkt-Kontrollprogramm „Betriebe mit ehemals gravierenden Mängeln“ insgesamt 30 Betriebe überprüft, die bereits in der Vergangenheit negativ aufgefallen waren. In 15 Betrieben stellten die Kontrollteams erneut „mittelgradige“ oder „gravierende“ Mängel fest. Das geht aus dem LGL-Jahresbericht 2016 und aus Angaben des LGL gegenüber foodwatch hervor. Im August 2017 hatte foodwatch mit einem Antrag nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) die Herausgabe der Kontrollberichte beim LGL beantragt und 14 Berichte im Dezember 2017 bzw. Januar 2018 erhalten. Bei einem Betrieb entschied das LGL, den Kontrollbericht nicht herauszugeben, da der Inhaber des Betriebes verstorben sei und keine Rechtsnachfolge existiere.
Die Kontrollberichte zeigen zahlreiche Verstöße gegen Hygienevorgaben und lebensmittelrechtliche Bestimmungen: In einer Obstkelterei beispielsweise wurden „gravierende Mängel“ in allen Bereichen festgestellt: „Dabei sind vor allem die stark verschimmelten und feuchten Kellergewölbe zu erwähnen, in denen in nur unzureichend abgedeckten, offenen Lagertanks unterschiedlicher Größe Säfte, Weine und Zuckerlösungen vermischt werden.“ Bei einem Pizzaservice klagten die Kontrolleure über die „chaotische Lagerung von Lebensmitteln“. In einer Metzgerei war „ein Großteil der Arbeitskleidung (v.a. Schuhe und Schürzen) (…) zum Zeitpunkt der Kontrolle altverschmutzt bzw. verschlissen.“ In einem anderen Schlachtbetrieb wurden „Altverschmutzungen an Arbeitsgerätschaften, Bedarfsgegenständen, Arbeitskleidung und im Bereich des Bodens“ beanstandet. So wiesen die „Schneidebretter (…) neben den frischen Verschmutzungen von der morgendlichen Zerlegung auch Altverschmutzungen in Form von bräunlichen, teils schwärzlichen Belägen auf.“ Das Braumalzlager einer Brauerei glich laut den Kontrolleuren „eher einem ausgelagerten Wohnzimmer mit Teppichboden und Geschirrschränken etc. als einer Lebensmittelproduktionsstätte“. Ebenso waren in „den meisten Produktionsräumlichkeiten an Decken und Wänden Schwarzschimmel- und Salpeterbildung festzustellen“.
Johannes Heeg von foodwatch: „Es ist unglaublich, dass solche Zustände geheim bleiben. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht zu erfahren, welche Betriebe sauber und ehrlich arbeiten – und welche nicht.“
In Dänemark können sich Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an der Ladentür und im Internet über alle Lebensmittelkontrollergebnisse informieren. Seit Einführung des Smileys-Systems im Jahr 2002 hat sich die Quote der beanstandeten Betriebe halbiert, von 30 auf 15 Prozent. In Deutschland verharrt die Beanstandungsquote hingegen seit Jahren bei rund 25 Prozent. Nordrhein-Westfalen hatte als erstes Bundesland überhaupt ein Transparenzgesetz beschlossen – die schwarz-gelbe Landesregierung will das Vorhaben wieder stoppen.
Weiterführende Informationen
Quelle: foodwatch e.V.
Internet: www.foodwatch.de
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