Aktuelle Informationen der Stiftung Kindergesundheit zum Welt-Frühgeborenen-Tag am 17. November
Die Statistik sieht nicht gut aus. Jedes Jahr verbringen rund 60.000 Babys in Deutschland die ersten Wochen ihres Lebens nicht unter der Obhut ihrer Eltern zuhause, sondern auf den Intensivstationen der Geburtskliniken. Es sind Kinder, die nicht warten konnten: Frühchen, die vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen.
Für ihre Eltern ist das ein Alptraum: Plötzlich ist nichts mehr so wie es mal geplant war, keine sanfte Geburt, kein kuscheliges Familienglück, nur ein monatelanges Hoffen und Bangen. Winzig, mager und unfertig, vollgepackt mit Elektroden und Schläuchen – so kämpfen Frühchen im Brutkasten um jeden Zentimeter und um jedes Gramm, das sie aus der Gefahrenzone bringt. Die aufwändige Technik und die intensive Pflege sollen diesen Kindern den Mutterleib ersetzen, den sie so früh verlassen mussten – sonst drohen Krankheit, Behinderung oder sogar der Tod.
Die Angst um das Leben des Kindes und die quälende Ungewissheit über die gesundheitlichen Folgen stellt die Eltern von Frühgeborenen vor eine extreme Herausforderung. Sie brauchen mehr Unterstützung sowie umfassende Informationen und Aufklärung, um die jähe Krisensituation bewältigen zu können, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme zum Welt-Frühgeborenen-Tag. Dieser Tag findet jährlich am 17. November statt und soll auf die Belange von Frühchen und ihrer Familien aufmerksam machen.
Zum Jubeln gibt es dennoch keinen Grund: So beeindruckend es ist, wie gut Frühgeborene heute versorgt werden können, so enttäuschend ist es gleichzeitig, wie wenig die Medizin bisher tun kann, um eine Frühgeburt zu verhindern. Denn bei den meisten Bemühungen um die Vorbeugung von Frühgeburtlichkeit, waren die Erfolge bisher relativ bescheiden, beklagt die Stiftung Kindergesundheit. Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte ist die Frühgeburtenrate in den meisten Ländern der Welt trotz zunehmender Kenntnisse über die Risikofaktoren gleichgeblieben oder sogar angestiegen. Sie liegt zwischen sieben und 14 Prozent, was etwa 15 Millionen betroffenen Kindern jährlich entspricht. Mit rund neun Prozent gehört die Frühgeburtenrate in Deutschland zu den höchsten im europäischen Vergleich.
Einige der Risikofaktoren können durch das Verhalten der Schwangeren und das Können ihrer Ärzte günstig beeinflusst werden, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit und nennt Beispiele:
Eltern befürchten vor allem, dass die Unreife bei der Geburt Schäden hinterlässt, die das spätere Leben des Kindes beeinträchtigen. Dieses Risiko besteht in der Tat. Es ist jedoch offenbar geringer als lange angenommen wurde, betont die Stiftung Kindergesundheit. Obwohl heute wesentlich mehr Kinder mit sehr niedrigem Geburtsgewicht am Leben erhalten werden als früher, hat die Zahl der geschädigten Babys abgenommen.
Das bedeutet: Die meisten winzigen oder zerbrechlichen Patienten der Frühchenstationen können später zu gesunden jungen Menschen heranwachsen. So ergab eine Analyse deutscher Frühgeborener der Jahrgänge 1987 bis 2004, dass im Alter von neun Jahren zwischen Frühgeborenen und Reifgeborenen in der Lebensqualität keine Unterschiede mehr bestehen.
Besonders gefürchtet ist die Zerebralparese, die gehirnbedingte spastische Bewegungsstörung. Das Risiko, daran zu erkranken, hängt stark davon ab, in welcher Klinik die Kinder geboren wurden und wie gut sie nach der Geburt betreut wurden. Bei Frühchen unter 1.500 Gramm beispielsweise liegt die Behindertenrate in manchen Studien bei 30 Prozent, in anderen dagegen bei lediglich sechs Prozent. Neben spastischen Störungen werden bei Frühchen auch häufiger Anfallsleiden, Sehstörungen oder ein Hydrozephalus (Wasserkopf) registriert. Wenn eine Frühgeburt droht, sollten Schwangere wenn immer möglich ein sogenanntes Perinatalzentrum aufsuchen; dort sind Geburtshilfe und Neugeborenenmedizin besonders auf die Betreuung Frühgeborener eingerichtet.
Für die Befürchtung vieler Eltern, ihr Frühchen bliebe immer kleiner als die anderen, gibt es übrigens keinen Grund, sagt die Stiftung Kindergesundheit. Eine Langzeitstudie an der Universitätskinderklinik Bonn, in der die Entwicklung von 116 Frühgeborenen über 30 Jahre hindurch verfolgt wurde, ergab: Auch Frühchen können ihren Eltern über den Kopf später über den Kopf wachsen. Zwar werden mit acht Jahren meist noch Wachstumsdefizite registriert, aber die Endgröße der Frühgeborenen unterscheidet sich nicht von der reif geborener Kinder.
Ausführliche Informationen für betroffene Familien und auch für die an der Betreuung von Frühgeborenen beteiligten Fachleute bietet der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e.V., im Internet unter www.fruehgeborene.de, Hotline: 0 800 875 877 0.
Als erste europaweite Hilfsorganisation vertritt die European Foundation for the Care of Newborn Infants (EFCNI) die Interessen Früh- und Neugeborener und deren Familien. Sie wurde 2008 von Silke Mader als betroffene Mutter gegründet. Ziel des Projekts ist es, europaweite Qualitätsstandards für die bestmögliche Versorgung Früh- und Neugeborener zu entwickeln und so die Bedingungen langfristig zu verbessern. Weitere Informationen unter www.efcni.org
Als Symbol des von der EFCNI initiierten Welt-Frühgeborenen-Tages dient übrigens eine Söckchenleine – neun paar Babysocken rahmen ein Paar besonders kleine Söckchen für Frühgeborene ein. Damit wird symbolisiert, dass weltweit jedes zehnte Kind zu früh auf die Welt kommt.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
Bild/er: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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