Marktcheck Trend Protein-Lebensmittel: überteuert und überflüssig
Von „Protein-Müsli“ bis „Eiweiß-Brot“: Zahlreiche Hersteller fügen ihren Produkten Protein hinzu und vermarkten diese als sportlich-gesunde Lebensmittel – häufig zu überteuerten Preisen. Dabei ist das Extra-Protein völlig überflüssig, wie die Verbraucherorganisation foodwatch kritisiert. Auch sportliche Erwachsene können die von Experten empfohlene Proteinmenge problemlos durch eine ausgewogene Ernährung aufnehmen. Trotzdem sind die speziellen Eiweiß-Produkte teilweise mehr als doppelt so teuer wie vergleichbare Lebensmittel.
„Der Protein-Trend ist eine überflüssige Marketing-Masche, die Verbraucherinnen und Verbraucher teuer bezahlen. Selbst wer viermal die Woche joggen geht, braucht kein zusätzliches Protein“, sagte Sophie Unger von foodwatch. „Der Protein-Hype ist wieder eine von diesen sogenannten Innovationen der Lebensmittelwirtschaft, die nicht den Menschen hilft, sondern der Industrie.“
foodwatch hat in einem Marktcheck verschiedene Lebensmittel unter die Lupe genommen, die mit Extra-Proteinen werben. Die Hersteller verlangen für die Produkte zum Teil erheblich höhere Preise. Kundinnen und Kunden bezahlen zum Beispiel für das „Proteinreiche Knuspermüsli“ von Dr. Oetker mehr als doppelt so viel wie für das klassische Knuspermüsli des Herstellers. Die Molkerei Bauer vermarktet ihren „Protein Drink Vanille“ als sportliches Getränk für eine „fitnessorientierte und alltagsaktive Zielgruppe“ – und schlägt im Vergleich zu herkömmlicher Marken-Vanillemilch preislich ordentlich drauf: Das Produkt kostet knapp 40 Prozent mehr als etwa Landliebe „Landmilch Vanille“ und sogar mehr als 2,5-mal so viel wie Bärenmarke „Alpenfrische Vanille Milch“. Der Bauer Protein-Drink ist aktuell einer von fünf Kandidaten für den Goldenen Windbeutel 2017, der Online-Abstimmung von foodwatch zur dreistesten Werbelüge des Jahres auf www.goldener-windbeutel.de. „Bauer zieht seinen Kundinnen und Kunden das Geld aus der Tasche mit einem vermeintlich sportlich-gesunden Produkt, das in Wahrheit niemand braucht“, so Sophie Unger, ‚Wahlleiterin‘ für den Goldenen Windbeutel.
Protein-Produkte sind der große Trend in der Lebensmittelbranche. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) spricht von dem „Wachstumssegment des Jahres“, mit einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 62,2 Prozent. Damit Hersteller mit Slogans wie „hoher Proteingehalt“ oder „Proteinquelle“ werben dürfen, müssen die Produkte einen bestimmten Proteingehalt aufweisen. Zahlreiche Hersteller setzen ihren Produkten daher Protein zu. Müsli wird beispielsweise mit Soja-, Erbsen- oder Weizen-Eiweiß aufgepeppt, Vanillemilch bekommt zusätzliches Milcheiweiß zugesetzt, Brot wird mit extra Weizeneiweißkonzentrat gebacken und Smoothies werden Soja-Proteine hinzugefügt. Dabei haben laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) selbst Breitensportler, die vier- bis fünfmal pro Woche 30 Minuten bei mittlerer Intensität körperlich aktiv sind, keinen erhöhten Proteinbedarf. Aus der zweiten Nationalen Verzehrsstudie im Auftrag des Bundesernährungsministeriums geht hervor, dass Männer und Frauen in Deutschland im Durchschnitt sogar mehr Protein aufnehmen, als die DGE empfiehlt. Eine Ausnahme davon sind Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen einen erhöhten Proteinbedarf haben oder Leistungssport betreiben – doch an diese Sonderfälle ist die Protein-Werbung nicht gerichtet. Auch wenn Protein-Produkte mit Versprechen wie „unterstützt den Muskelaufbau“ oder „knackige Muskeln aufbauen und sich supersexy fühlen“ vermarktet werden, werden laut GfK rund 70 Prozent aller Protein-Produkte von Menschen gekauft, die nicht übermäßig viel Sport treiben.
Der Lebensmittelmarkt ist buchstäblich gesättigt. Um zu wachsen, müssen Lebensmittelfirmen immer neue Produkte und Trends kreieren – Etikettenschwindel und Irreführung sind da an der Tagesordnung. Besonders dreiste Fälle von Verbrauchertäuschung zeichnet foodwatch seit 2009 mit dem Goldenen Windbeutel aus. Für die Wahl 2017 sind neben dem Bauer Protein Drink Vanille vier weitere Produkte nominiert: ein überzuckerter Babykeks von Alete, eine Ochsenschwanzsuppe ganz ohne Ochsenschwanz von Continental Foods, das Urlegenden Müsli von Kellogg’s und das Becel Omega-3 Pflanzenöl von Unilever. Noch bis 26. November 2017 können Verbraucherinnen und Verbraucher auf www.goldener-windbeutel.de für ihren Favoriten abstimmen. Dem Gewinner will foodwatch den Negativpreis für die dreisteste Werbelüge des Jahres dann am Firmensitz überreichen.
Online-Wahl zur Werbelüge des Jahres >
Quelle: foodwatch
Internet: www.foodwatch.de