Eine Blutvergiftung ist ein medizinischer Notfall mit oft tödlichem Ausgang. Um mehr Leben zu retten, wird an neuen Therapien geforscht. Sie sollen verhindern, dass Infektion und Immunreaktion eskalieren, so der Ratgeber aus Ihrer Apotheke.
(RaIA/dgk) Weltweit an die 30 Millionen Menschen erkranken jedes Jahr an einer Blutvergiftung. Mindestens jeder Dritte überlebt sie nicht. In Deutschland ist die Blutvergiftung, von Medizinern Sepsis genannt, die dritt-häufigste Todesursache, gleich nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Die Sepsis gilt als Nummer eins der vermeidbaren Todesursachen – vorausgesetzt, sie wird rechtzeitig als Notfall erkannt und unverzüglich in einer Klinik behandelt. In der ersten Stunde liegt die Überlebenschance bei immerhin 80 Prozent.
Bagatelle mit bösen Folgen
Die Vorgeschichte einer Blutvergiftung ist meist ziemlich banal: eine Schürfwunde, die man sich bei der Gartenarbeit zuzieht, ein kleiner Schnitt in die Haut, wenn Gemüse geputzt undzerkleinert wird, eine Verletzung des Nagelbetts bei der Maniküre, ein Biss vom Haustier. Ist die Wunde mit Krankheitserregern, also Bakterien, Pilzen oder Viren infiziert, kann es zu einer eitrigen Entzündung kommen. Meist gelingt es dem Körper, die Infektion auf ihren Ursprungsort zu begrenzen. Ist er jedoch geschwächt, z. B. altersbedingt oder durch chronische Krankheiten wie Diabetes oder Rheuma, können sich die Keime vom Krankheitsherd aus über die Blutbahn in den gesamten Organismus ausbreiten. Das kann übrigens nicht nur nach einer äußeren Verletzung oder nach einer Operation der Fall sein, sondern auch infolge einer Entzündung im Körperinneren, z. B. der Zahnwurzel, der Gallenblase oder der Lunge.
Charakteristisch für eine Blutvergiftung ist, dass das Krankheitsgeschehen zunehmend eskaliert, sich zu einer immer schneller drehenden Abwärtsspirale entwickelt. Die Symptome einer fortgeschrittenen schweren Blutvergiftung sind Kurzatmigkeit, Herzrasen, Unruhe, Verwirrtheit, Fieberschübe oder Unterkühlung, Blutdruckabsturz und schließlich ein septischer Schock, der in etwa sechs von zehn Fällen tödlich endet.
Destruktive Abwehrkräfte
In Bakterien & Co. sowie den von ihnen produzierten Giftstoffen die Schuldigen zu erblicken, ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Die Blutvergiftung läuft nämlich erst infolge einer übersteigerten Abwehrreaktion aus dem Ruder. Das Immunsystem löst eine heftige Entzündung im ganzen Körper aus, die nach und nach lebenswichtige Organe erfasst. Die Abwehr verkehrt sich ins Gegenteil, richtet sich nicht nur gegen die eingedrungenen Krankheitskeime, sondern gegen den Köper selbst. Die Folge: Kleine Blutgefäße werden geschädigt und bekommen Lecks. Große Mengen Flüssigkeit gelangen so ins Gewebe, die Blutgerinnung gerät außer Kontrolle, immer mehr Gefäße im ganzen Körper verstopfen. Es kommt zu Sauerstoffmangel, der die Funktion der Organe massiv beeinträchtigt und gegen den das Herz mit nachlassender Kraft anzupumpen versucht, bis der Kreislauf zusammenbricht, die Organe versagen und der Tod eintritt.
Waffenstillstand herbeiführen
Für Mediziner ist es längst kein Geheimnis mehr, dass die Blutvergiftung eine Fehlreaktion des Körpers auf eine Infektion darstellt. Forscher ziehen aus dieser Erkenntnis jetzt Konsequenzen: Sie versuchen der Therapie eine neue Richtung zu geben, um das verhängnisvolle Fortschreiten der Sepsis zu stoppen. Ziel ist, den Körper dazu zu bringen, die Entzündungsreaktion herunterzufahren, mit der er sich selbst schweren Schaden zufügt, und eine Art „Waffenstillstand zwischen Mensch und Mikrobe“ herbeizuführen, wie Professor Michael Bauer vom Zentrum für Sepsis und Sepsisfolgen am Universitätsklinikum Jena es ausdrückt.
Zu diesem Zweck nehmen die Forscher körpereigene Moleküle ins Visier, die zum Absterben von Zellen und zum Organversagen beitragen, und versuchen Wirkstoffe zu entwickeln, die die Übeltäter ausschalten.
Schnelltest in Sicht
Bisher wird die Blutvergiftung – neben intensivmedizinischen Maßnahmen wie künstlicher Beatmung, Stabilisierung des Kreislaufs etc. – in erster Linie mit Antibiotika behandelt. Sie werden als Erste Hilfe bereits gegeben, wenn der Sepsis-Erreger noch gar nicht bekannt ist.
Ihn exakt zu bestimmen, ist nötig, um zu klären, ob das richtige Medikament verabreicht wird. Die Keime aus dem Blut im Labor zu vemehren und zu identifizieren, nimmt mindestens 24 Stunden in Anspruch – zu lange für Patienten mit septischem Schock, von denen etwa 60 Prozent vorher sterben. Aus diesem Grund besteht dringender Bedarf an Schnelltests, an denen z. B. am Leibniz-Institut für Photonische Technologien (IPHT) in Jena geforscht wird.
Mit erstem Erfolg: Die Wissenschaftler haben einen Erregernachweis entwickelt, der nur eine gute halbe Stunde dauert. Das Prinzip: Ein Laserstrahl wird auf die Probe gerichtet, das rückgestreute Licht ergibt dann einen charakteristischen spektralen Fingerabdruck des Erregers. Der Arzt weiß daraufhin, mit welchem Medikament er seinen Sepsis-Patienten am besten behandelt.
Ammenmärchen „roter Strich“
Haben Ihre Eltern oder Großeltern Ihnen erzählt, ein roter Streifen in der Haut, der sich von einer Wunde aus seinen Weg bis zum Herzen bahne, sei das untrügliche Anzeichen einer Blutvergiftung? Schenken Sie solchen Ammenmärchen keinen Glauben, rät der Ratgeber aus Ihrer Apotheke: Der rote Strich deutet auf eine Entzündung der Lymphgefäße hin, eine sogenannte Lymphangitis, ist also lediglich ein Hinweis auf eine lokale Entzündung.
Allerdings lagen Ihre Erzieher nicht völlig falsch, denn aus einer sochen Entzündung kann sich – wie aus jeder Infektion – unter Umständen eine Blutvergiftung entwickeln. Mit einer Lymphangitis sollte deshalb rasch ein Arzt aufgesucht werden.
Quelle: Deutsches Grünes Kreuz e. V.
Internet: www.dgk.de
Bild 1: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0 – Bild 2: cleankids
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