Verbraucher

Abgas-Manipulation durch Abschalteinrichtungen: Kommt jetzt der Opel Rückruf?

Deutsche Umwelthilfe fordert Verkaufs- und Zulassungsstopp für die Diesel-Modelle Opel Zafira und Astra sowie Entzug der Typzulassungen

Mehrmonatige gemeinsame Untersuchungen der Deutschen Umwelthilfe, der WDR-Redaktion Monitor, dem Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL sowie des Softwareexperten Felix Domke belegen weitere illegale Abschalteinrichtungen – Motorsteuersoftware aktiviert Abschalteinrichtungen beim Opel Zafira 1.6 CDTi unter +17 und über +33 Grad Celsius, über 140 km/h, ab ca. 850m Höhe und bei über 2.400 Motorumdrehungen –Straßenmessungen zeigen auch beim Opel Astra 1.6 CDTi alarmierende Werte und Abschalteinrichtungen – DUH hat ein Rechtsverfahren gegen die Adam Opel AG wegen Verbrauchertäuschung eingeleitet

Die gefundenen vier Arten von Abschalteinrichtungen deaktivieren faktisch über die meiste Betriebszeit die ordnungsgemäße Abgasreinigung und sind eindeutig rechtswidrig – Bild: Deutsche Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat Bundesverkehrsminister Dobrindt heute die Ergebnisse mehrmonatiger Labor- und Straßenmessungen sowie die Analyse der Motorsteuersoftware des Opel Zafira 1.6 CDTi übermittelt. Die DUH fordert ihn auf, nach einer Überprüfung der Ergebnisse durch die Behörden, umgehend einen Zulassungsstopp für alle Opel-Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge zu verfügen, die eine entsprechende illegale Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in der Motorsteuersoftware haben. Zudem fordert die DUH von Minister Dobrindt den Entzug der Typzulassung für alle betroffenen Opel-Modelle sowie die Anordnung eines amtlichen Rückrufs für alle bisher ausgelieferten Fahrzeuge.

„Wir fordern von Opel Vorstand Neumann einen sofortigen Verkaufs- bzw. Auslieferungsstopp für alle Diesel-Fahrzeuge mit rechtswidrigen Abschalteinrichtungen. Wegen falscher Leistungsversprechen bei der Abgasreinigung und damit Täuschung und Schädigung von vielen zehntausend Kunden hat die DUH ein Rechtsverfahren gegen das Unternehmen eingeleitet und bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt Anzeige erstattet“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Seit Oktober 2015 hat die DUH mehrfach auf die besonders hohen Abgasemissionen beim Opel Zafira Diesel hingewiesen – Bild: Deutsche Umwelthilfe

Seit Oktober 2015 hat die DUH mehrfach auf die besonders hohen Abgasemissionen beim Opel Zafira Diesel hingewiesen und diese durch eigene Messungen in der Schweiz und in Prag belegt. Auch bei amtlichen Nachmessungen in Deutschland und England fielen die Opel-Diesel-Pkw mit ihren extremen Stickoxid-Werten (NOx) auf. Besonders alarmierend fielen die am 28.4.2016 veröffentlichten Ergebnisse der französischen Regierungskommission aus. Unter 52 untersuchten Diesel-Pkw belegte der Opel Zafira sowohl bei NOx wie auch bei CO2 jeweils den negativen Spitzenplatz. Obwohl dem deutschen Verkehrsminister all diese Informationen vorliegen, erklärt er bis heute, keine Erkenntnisse über illegale Abschalteinrichtungen erkennen zu können.

Nachdem der Bundesverkehrsminister seit Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals alle Gesprächskontakte mit der DUH für sich, seine Staatssekretäre sowie die Beamten des Bundesverkehrsministeriums untersagte und sich die so genannte Untersuchungskommission ausschließlich (laut dem am 22.4.2016 veröffentlichtem Bericht des Kraftfahrt-Bundesamtes bisher 55 Mal) mit den Vertretern der Automobilindustrie zusammensetzte, war nicht zu erwarten, dass den zahlreichen Hinweisen auf Abschalteinrichtungen tatsächlich nachgegangen wird und die notwendigen unabhängigen Untersuchungen eingeleitet werden.

Aus diesem Grund haben die Deutsche Umwelthilfe, die WDR-Redaktion Monitor und das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL im Januar beschlossen, gemeinsam mit dem Softwareexperten Felix Domke in der Motorsteuersoftware des Opel Zafira nach Belegen für das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen zu suchen und dies über begleitende Abgasuntersuchungen zu dokumentieren.

Die gefundenen vier Arten von Abschalteinrichtungen deaktivieren faktisch über die meiste Betriebszeit die ordnungsgemäße Abgasreinigung und sind eindeutig rechtswidrig. Die dreisteste in der Steuersoftware gefundene Abschaltung betrifft die Abschaltung jeweils drei Grad unter bzw. über der Laborprüftemperatur, die bei +20 bis +30 Grad Celsius liegt. Dies hat zur Folge, dass nur zu weniger als 20 Prozent des Jahres die Abgasreinigung überhaupt ordnungsgemäß funktionieren kann. Felix Domke fand drei weitere illegale Abschalteinrichtungen, die die Wirksamkeit der Abgasreinigung zusätzlich einschränken: Die Motorsteuersoftware aktiviert die Abschalteinrichtung bei Geschwindigkeiten über 140 km/h, ab ca. 850m über NN und bei über 2.400 Motorumdrehungen/min.

In der Realität funktioniert die Abgasreinigung aber auch nicht in dem verbleibenden Temperaturbereich von +17 bis + 33 Grad Celsius. Dies zeigen Abgasmessungen der DUH mit den verbandseigenen PEMS- Straßenmessgeräten Anfang Mai in Berlin. Die DUH hat bei insgesamt zehn Straßenmessungen des Opel Zafira und bei acht Messungen des Opel Astra 1.6 CDTi im Durchschnitt eine 5 bis 8,6 -fache Überschreitung der Euro 6 Grenzwerte für NOx gemessen. Trotz zurückhaltender Fahrweise zeigte gerade auch der Opel Astra sehr hohe NOx-Emissionswerte. Das Schadstoffminderungssystem für NOx ist praktisch außer Kraft gesetzt. Hinzu kommt, dass beim Zafira und beim Astra ein sehr hoher Anteil der NOx-Emissionen aus dem gefährlichen Stickstoffdioxid besteht.

„Das Emissionsniveau der beiden Opelfahrzeuge auf der Straße ist erschreckend und ist durch keine technischen Gründe zu rechtfertigen“, so Axel Friedrich, der für das Emissions-Kontroll Institut der DUH die PEMS-Messungen im Mai durchgeführt hat.

Am 10. Mai 2016 hat die DUH ein Rechtsverfahren gegen die Adam Opel AG wegen Verbrauchertäuschung eröffnet und mit Fristsetzung zum18.5.2016 die Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Sollte Opel diese Frist verstreichen lassen, wird die DUH Klage vor dem zuständigen Landgericht erheben.

In zahlreichen Schriften, Broschüren und Werbevideos täuscht Opel bis heute seine Kunden mit falschen Aussagen zum Umwelt- und Abgasverhalten. Obwohl Opel bereits bei +17 Grad Celsius und darunter seine Abschalteinrichtung aktiviert, wirbt das Unternehmen mit einem bestandenen „Kältetest bei minus 30 Grad“ des 1.6 CDTI Ecotec in Nordschweden, bei dem der „Testfokus auf Aspekten wie … Funktionalität der Abgasnachbehandlung“ lag.

In einer Pressemitteilung vom 5.8.2014 schreibt Opel: „Die neue Dieselgeneration von Opel: Kraftvoll, sparsam, umweltfreundlich. Der Zafira Tourer 1.6 CDTI erfüllt in beiden Leistungsstufen (120 und 136 PS) bereits die künftige Euro-6-Abgasnorm. Die Opel-Ingenieure erreichten dies durch das hochmoderne Abgasnachbehandlungssystem BlueInjection SCR (selektive katalytische Reduktion), das den Diesel in Sachen Schadstoff-Emissionen so sauber wie einen Benziner werden lässt.“ Ein halbes Jahr später, am 19.2.2015 fabuliert Opel: „Vorbildliche Abgasreinigung mit niedrigstem Stickstoffoxid-Ausstoß […] geringere Emissionen jeglicher Art […] Viel Dieselspaß ohne Reue, denn die neue Dieselgeneration von Opel erzielt Abgasbestwerte auf Benziner-Niveau. Die alte Dieselschwäche – der Ausstoß von Stickoxiden – ist Geschichte.“ (Dokumentation dieser und weiterer Falschaussagen zum Abgasverhalten unter l.duh.de/p130516.

Mit diesen Aussagen verspricht Opel sogar eine weit über Euro 6 hinausgehende Abgasreinigung, da moderne Benzinmotoren deutlich niedrigere NOx-Emissionen aufweisen. Verbraucher werden auch über einen angeblich niedrigen Spritverbrauch getäuscht. Diese Aussagen verstoßen gegen das Verbot irreführender Werbung (§ 5 UWG). Dem Leser wird zu Unrecht suggeriert, dass es sich bei dem Opel Zafira Tourer 1.6 CDTI um ein besonders umweltfreundliches und sauberes Modell hinsichtlich der Stickoxid-Emissionen im Fahrbetrieb handelt.

Quelle: Deutsche Umwelthilfe e. V.
Internet: www.duh.de

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0


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