Die Stiftung Kindergesundheit empfiehlt Eltern, Fiebermedikamente nicht voreilig einzusetzen
Umdenken ist angesagt: Eine erhöhte Körpertemperatur ist äußerst selten gefährlich, ja es hilft oft sogar, schneller gesund zu werden. Fieber ist keine Krankheit, sondern eine ganz normale und nützliche Antwort des Organismus auf Infektionen. Die ansteigende Hitze lähmt die Vermehrung von Viren und Bakterien. Mit dem schnellen Griff nach Fieber senkenden Mitteln bewirkt man oft genau das Falsche, sagt die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme: Man hindert den Körper daran, die „bösen“ Keime selbst zu bekämpfen. Diese Meinung vertreten immer mehr Wissenschaftler. Sie widersprechen damit nicht nur der Überzeugung von besorgten Eltern fiebernder Kinder, sondern revidieren auch den herkömmlichen Wissensstand vieler Mediziner.
„Kinder haben häufig Fieber, je jünger, umso öfter. Durch das Fieber allein wird aber das Kind nicht krank, wie viele Eltern meinen. Die erhöhte Temperatur ist lediglich ein ‚Symptom’, also ein Zeichen dafür, dass sich der Körper des Kindes mit Krankheitserregern auseinandersetzt“, stellt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit fest. „Das Fieber ist also eine sinnvolle physiologische Abwehrreaktion: Mit seiner Hilfe versucht der Organismus, eingedrungenen Krankheitserregern ein möglichst ungastliches Klima zu bereiten und sie so an der Vermehrung zu hindern“.
Die Angst vor einer steigenden Körpertemperatur ist jedoch bei den meisten Menschen tief verankert. Fieber gehört zu den von den Eltern am meisten gefürchteten Zuständen ihres Kindes und wird mit schwerer Krankheit, Krampfanfall, Hirnschaden, bösartiger Erkrankung und Tod in Verbindung gebracht. Aus Angst um ihr fieberndes Kind greifen viele Eltern schon früh zu Fieber senkenden Maßnahmen.
Fieber ist mit rund 70 Prozent auch der häufigste Grund für die Vorstellung von Kindern beim Kinder- und Jugendarzt oder Hausarzt.
Kommen Eltern mit ihrem fiebernden Kind zum Arzt, bitten sie ihn meist gleich um fiebersenkende Mittel. Die Notwendigkeit der Fieberbekämpfung wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Diese regelrechte Fieberphobie führt jedoch laut Stiftung Kindergesundheit häufig zu einer unverhältnismäßigen oder sogar schädlichen Anwendung von fiebersenkenden Medikamenten. Deshalb sollten Eltern wissen, dass Fieber dem Kind meist mehr nutzt als schadet.
Das Feindbild des Fiebers ist international. Eine Studie des Johns Hopkins Hospital in Baltimore zeigt deutlich, welche Ängste steigende Temperaturen ihres Kindes bei amerikanischen Eltern auslösen:
Sogar Ärzte fürchten „Fieber-Folgen“
Die Fieber-Phobie findet sich aber auch noch unter den Fachleuten, die es besser wissen müssten. In einer Studie der kanadischen Universität Calgary wurden 79 Hausärzte gefragt, welche potentiell schädlichen Effekte Fieber haben könne. Neben den Hauptsymptomen Unwohlsein, Flüssigkeitsverlust und Fieberkrampf nannten 32 Ärzte (40,5%) auch Hirnschäden als drohende Folge und 27 Allgemeinmediziner (34,2%) befürchteten gar den Tod.
Dabei haben zahlreiche Untersuchungen ergeben, dass das Fieber eine der wichtigsten Immunreaktionen des Körpers darstellt. Aus vielen Studien geht hervor, dass das Wachstum von Viren und auch einiger Bakterienarten durch erhöhte Temperatur stark gehemmt wird. Die nützlichen Reaktionen des Organismus gegen eingedrungene Krankheitserreger laufen am besten bei einem Fieberzustand zwischen 39 und 40 Grad ab. So arbeiten die so genannten Fresszellen, die Phagozyten, die die Eigenschaft haben, Bakterien unschädlich zu machen, bei einer Temperatur von 39 Grad optimal.
Unter 40 Grad droht keine Gefahr
Kleine Kinder ertragen hohe Temperaturen überdies in aller Regel viel besser als Jugendliche oder Erwachsene. Selbst hohes Fieber über 40 Grad macht ihnen oft nichts aus. Bei sonst gesunden Kindern steigt die Temperatur schnell und oft auf Werte zwischen 40 und 41 Grad Celsius, aber nur selten höher. Bis 40 bis 41 Grad verstärken sich verschiedene Abwehrfunktionen, diese Temperaturen sind jedoch fast immer ungefährlich, betont die Stiftung Kindergesundheit. Temperaturen über 41 bis 42 Grad kommen selten vor. Sie können je nach Umständen kritischer sein, werden aber in der Regel ebenfalls folgenlos überstanden.
Deshalb gilt: So lange sich das Kind nicht zu krank fühlt und auch sonst einen guten Allgemeineindruck macht, muss man gegen das Fieber nicht angehen. Bei Kindern, die trotz erhöhter Temperatur munter sind und normal essen und trinken, müssen keine Maßnahmen ergriffen werden. Steigt die Temperatur aber auf Werte deutlich über 38,5 Grad an, kann der Allgemeinzustand eines Kindes beeinträchtigt werden.
Nur dann, wenn das Kind durch das Fieber leidet, unruhig und quengelig ist, Trinken und Essen verweigert, nicht schlafen kann oder im Verhalten beinträchtigt ist sollten die Eltern Gegenmaßnahmen ergreifen, so die Empfehlung der Stiftung Kindergesundheit.
Dem Kind droht kein Schaden
„Die Suche nach der Ursache des Fiebers und ihre zeitgerechte und ursächliche Behandlung ist deshalb wichtiger als die Senkung des Fiebers“, bekräftigt Professor Dr. Berthold Koletzko. „Die Faustregel von uns Kinder- und Jugendärzten lautet heute: Die Krankheit behandeln, nicht das Thermometer.“
Die neuen Erkenntnisse sind in einigen Ländern mittlerweile Bestandteil der Leitlinien für Ärzte und Gesundheitsberufe geworden. So stellen die „Guidelines“ des britischen „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE) nachdrücklich fest:
Medikamente nur auf ärztlichen Rat!
Zäpfchen sind die ideale Arzneiform für Babys und kleine Kinder, weil sie sie nicht schlucken müssen. Sie enthalten meist die mild schmerzlindernden und fiebersenkenden Substanzen Paracetamol oder Ibuprofen: Sie gelten als am besten verträgliche Schmerzmittel im Kindesalter. Die Dosierungsvorschriften müssen jedoch unbedingt genau eingehalten werden, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Dagegen sollte Acetylsalizylsäure (ASS, „Aspirin“) wegen des seltenen, aber gefährlichen Risikos eines „Reye-Syndroms“ (mit der Gefahr einer schweren Leber- und Gehirnschädigung) bei Kindern unter zwölf Jahren nicht zur Fierbsenkung und Schmerzlinderung verwendet werden.
Generell gilt: Kinder sollten Medikamente nur auf ärztliche Anweisung verabreicht bekommen. Dosierung und Einnahmedauer müssen genau eingehalten werden, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden.
Was Kinder wirklich brauchen
Kinder mit Fieber brauchen viel Flüssigkeit, um das durch Schwitzen verlorene Wasser zu ersetzen. So lange das Kind zu Beginn des Fieberanstiegs fröstelt, sollten Eltern – am besten mit einer Wolldecke oder einer Wärmflasche – für Erwärmung sorgen. Abkühlungsmaßnahmen sind erst dann empfehlenswert, wenn sich nicht nur Gesicht und Stirn, sondern auch die Beine und der übrige Körper des Kindes warm anfühlen.
Kinder mit Fieber brauchen Ruhe, reichlich zu trinken und liebevolle Pflege. Das hilft ihnen mehr als rezeptfrei angebotene Medikamente gegen Husten oder Erkältungen. Die Food und Drug Administration, die American Academy of Pediatrics und weitere medizinische Organisationen halten derartige Produkte für Kinder unter sechs Jahren für ungeeignet.
Wie man Fieber richtig misst
Zur Bestimmung der Körpertemperatur gilt die traditionelle Messung im After als der Goldstandard. Dieses Verfahren wird in Deutschland bevorzugt bei Säuglingen und Kleinkindern angewandt. Ein Vergleich von 75 wissenschaftlichen Studien durch kanadische Forscher hatte erst kürzlich bestätigt: Das rektale Messen liefert genauere Werte als andere Verfahren.
Bei der Messung im After muss das Thermometer festgehalten werden und das Kind darf nicht sich selbst überlassen bleiben. Die Messung sollte rektal mindestens fünf, unter der Achselhöhle oder unter der Zunge zehn Minuten dauern.
Während bei kleinen Kindern das Risiko besteht, dass sie auf das Fieberthermometer beißen, kann bei älteren Kindern und Erwachsenen die Temperaturmessung auch in der Mundhöhle erfolgen. Die im Mund gemessenen Werte liegen im Durchschnitt etwa 0,6 Grad Celsius tiefer als die rektalen Werte. Auch die in der Achselhöhle ermittelten Temperaturen sind niedriger als die rektalen Werte.
Ohrthermometer ermitteln die Temperatur mittels Infrarot-Messung des Trommelfells. Diese Werte liegen nahe an der Körperkerntemperatur, die Messungen sind jedoch nicht in allen Studien beständig: Die Messung kann zum Beispiel durch den Ohrenschmalz verfälscht werden.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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