Individualisierung ist wohl eines der wirkmächtigsten Schlagworte, das zur Beschreibung der modernen Gesellschaft gebraucht wird. Im Kern versteht man darunter vor allem das Aufbrechen familiärer, beruflicher und freizeitlicher Strukturen, die sich in einem radikalen Wandel befinden und somit eine Pluralität von Lebensformen erzeugen. War der Lebensweg eines durchschnittlichen Bauers im Mittelalter von Geburt an so gut wie besiegelt, so sehen sich die modernen Menschen einer Vielzahl an Möglichkeiten gegenübergestellt, zu denen sie sich irgendwie positionieren müssen. Die soziale Mobilität ist enorm gestiegen, wenn auch die soziale Herkunft in jeglicher Hinsicht immer noch stark prägend für die individuellen Biographien ist. Dennoch: Bei den zentralen Fragen des Lebens, muss sich jeder moderne Mensch mehr oder weniger autonom entscheiden. Dies sind insbesondere Fragen nach dem Beruf, der Partnerschaft oder nach der Weltanschauung. Es gibt aber auch noch eine Fülle weiterer Fragen, die im Laufe der Sozialisation geklärt werden müssen – so z.B. die Frage nach dem persönlichen Kleidungsstil. In derlei zentralen Punkten des sozialen Zusammenlebens kann man sich quasi nicht nicht entscheiden. Auch hinter der Einstellung „mir ist alles egal“ steht letztlich immer noch eine Entscheidung.
Aber genug der Vorrede. In diesem Artikel soll die Frage beleuchtet werden, inwieweit eine Individualisierung durch Mode bzw. Kleidung überhaupt möglich ist. Schaut man sich hierzu zunächst einmal im Internet um, so lassen einschlägige Ergebnisse nicht lange auf sich warten. T-Shirts, Pullover, Rucksäcke, Mützen und vieles andere mehr, können heute „individualisiert“ werden. Dazu braucht man lediglich ein Motiv respektive ein Muster, das man bei einem bestimmten Anbieter online hoch lädt und welches letzterer schließlich auf das jeweilige Textil aufdruckt und zu einem nach Hause versendet. Beispiele dazu können Sie z.B. hier einsehen. Dadurch erhält man natürlich ein ganz persönliches Stück Kleidung, aber was passiert, wenn es jeder macht? Verhält es sich dann nicht so ähnlich, wie mit dem beliebten „Nike Free“, bei dem jeder sich bloß durch eine noch ausgefallenere Farbe abgrenzen will, der Schuh an sich aber doch immer der gleiche bleibt und man sich letztendlich ja doch in die Community der „Nike Free-Träger“ einreiht? Man sieht schon, Individualisierung führt auf der einen Seite zwar zu einer Pluralisierung von Lebensformen, erzeugt auf der anderen Seite allerdings auch ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, was paradox anmutet. Jeder denkt, dass es seine eigene, ganz persönliche Kaufentscheidung ist, übersieht dabei aber zugleich, dass er sich damit oft nur in den Mainstream begibt und folglich gar nicht mehr so individuell erscheint, wie er es gerne hätte.
Was heißt das nun? Ist Individualität durch Konsum dann überhaupt noch möglich? Müsste man nicht sagen, dass gerade derjenige wirklich individuell ist, der sich nicht den flüchtigen Trends und Strömungen unterwirft? Aber entsteht dadurch, dass alle aufhören sich nach den Trends zu richten, nicht wieder ein Trend? Ist dies nicht ein Zirkel?
Der Punkt ist folgender: Individualität ist nämlich etwas, das man nicht durch bloßen Konsum erlangt. Individuell sind wir qua Geburt sowieso schon. Das was unsere Individualität danach ausmacht, ist die Art und Weise wie wir unsere Entscheidungen treffen und ob wir überhaupt dazu in der Lage sind. Je autonomer wir handeln können, desto besser können wir mit Entscheidungsssituationen umgehen. Natürlich kann ich mich modisch und ausgefallen kleiden, dazu kann ich mich entschließen. Aber das ist es wohl nicht, was mich zum Individuum macht. Vielmehr ist es die dahinterliegende Entscheidung und die Art wie ich sie begründe. Das hat auch viel mit Haltung zu tun und damit, dass man zu seinen Entscheidungen stehen, sie argumentativ verteidigen können muss. Ich werde mich also schwerlich durch Mode wirklich individualisieren können, gleichwohl kann ich aber ein modisches Individuum sein, dem es aus bestimmen Gründen wichtig ist, sich gut zu kleiden.
Es ist also weniger das selbstdesignte T-Shirt oder die Mütze an sich, die etwas über meine Individualität aussagt, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich mich dazu entschlossen habe, selbst diese Dinger zu gestalten und mir darüber Gedanken mache.
Bilder: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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