NRW fordert auf Verbraucherschutzministerkonferenz Verbot von hormonähnlichem Stoff in Lebensmittelkontaktmaterialien
Nordrhein-Westfalen fordert die Bundesregierung auf, Bisphenol A (BPA) für die Herstellung von Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, zu verbieten. Das soll nicht nur für Verpackungsmaterialien von Lebensmitteln gelten, sondern auch für Trinkbecher und Brotdosen aus Plastik. Auf der Verbraucherschutzministerkonferenz in Osnabrück in dieser Woche wird NRW dazu gemeinsam mit Niedersachsen und Schleswig-Holstein einen entsprechenden Antrag stellen. „Bisphenol A ist eine unsichtbare Gefahr und kann krank machen. Es ist eine aktive Substanz, die als Umwelthormon schon in kleinsten Mengen auf den menschlichen Körper wirken kann. Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher müssen solche hormonell wirksamen Stoffe in Alltagsgegenständen verboten werden. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, gegen die Verwendung von hormonell wirksamen Substanzen endlich schneller vorzugehen und als ersten Schritt Bisphenol A für Produkte, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, kurzfristig zu verbieten. In einem zweiten Schritt brauchen wir eine bundesweite Minimierungsstrategie, damit BPA auch in Kassenbons und anderen Alltagsgegenständen verboten wird“, fordert Verbraucherschutzminister Johannes Remmel im Vorfeld der Fachministerkonferenz.
BPA – Ein Umwelthormon mit derzeit noch nicht abschätzbaren gesundheitlichen Auswirkungen
Bisphenol A ist ein Umwelthormon, das als endokrin aktive Substanz im menschlichen Körper wie ein Hormon wirken kann. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) können diese Stoffe prinzipiell auf alle hormonabhängigen Prozesse, insbesondere auf die Entwicklung von Organismen, einwirken. Schon geringste Mengen reichen aus, um das menschliche Hormonsystem negativ zu beeinflussen. So kann das Umwelthormon die Fortpflanzung beeinflussen und zu Störungen der Fruchtbarkeit von Männern und Frauen führen. Denn BPA wirkt auf den menschlichen Hormonhaushalt ähnlich wie das weibliche Geschlechtshormon. Das geschieht in einem schleichenden unmerklichen Prozess und kann schlimmstenfalls unfruchtbar machen. Untersuchungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft zeigen, dass Bisphenol A die Wirkung der weiblichen Sexualhormone verstärkt, die der männlichen Sexualhormone und der Schilddrüsenhormone jedoch hemmt. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) weist außerdem in einer Stellungnahme darauf hin, dass Bisphenol A die Gehirnentwicklung von Ungeborenen und Kleinkindern schädigen kann. Die EFSA wertete über 450 Studien zu potenziellen Gesundheitsgefährdungen im Zusammenhang mit BPA aus. Dabei ermittelte sie schädliche Wirkungen für Leber und Nieren und stellte Auswirkungen auf die Brustdrüsen fest. Bisphenol A steht demnach ebenfalls im Verdacht Erkrankungen des Herzkreislauf- und Nervensystems auszulösen.
Bisphenol A kann sich auch in der Umwelt anreichern und in seiner hormonähnlichen Wirkung auch andere Lebewesen schädigen. Verschiedene Studien, die die amerikanische Umweltbehörde EPA zusammengefasst hat, zeigen, dass sich BPA auch auf das hormonell gesteuerte Fortpflanzungssystem von Tieren auswirkt. So können Fische beispielsweise verweiblichen, wenn sie Stoffe aufnehmen, die das weibliche Sexualhormon aktivieren. Auch das Umweltbundesamt (UBA) sieht Grund zur Besorgnis. Aktuell gebe es deutliche Wissenslücken und Unsicherheiten hinsichtlich der Gesundheitsrisiken von Bisphenol A. Das UBA spricht sich daher dafür aus, vorsorgend tätig zu werden und empfiehlt Bisphenol A für bestimmte Produkte zu verbieten.
Frankreich verbietet BPA in Lebensmittelkontaktmaterialien
Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit hat bereits 2006 eine Risikobewertung für Bisphenol A veröffentlicht. Im Januar 2015 hat sie den Wert für die tägliche tolerierbare Aufnahmemenge für Bisphenol A noch einmal deutlich verschärft. Die EFSA setzte den Wert von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag auf 4 herunter. Sie geht zwar nicht von einer konkreten Gesundheitsgefahr aus, erklärte aber, dass eine belastbare Datengrundlage fehlen würde und eine gesundheitliche Gefährdung für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausgeschlossen werden könne. Das BfR begrüßte die Neubewertung. Anderen europäische Ländern ist die EU-Bewertung schon lange zu unsicher, der Grenzwert geht ihnen nicht weit genug. So hat Dänemark bereits 2010 ein Verbot für alle Gegenstände erlassen, die Bisphenol A freisetzen können und von Kindern benutzt werden, etwa Trinkflaschen oder -becher.
Frankreich hat als erstes EU-Land seit Januar 2015 aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes sämtliche Produkte, die BPA enthalten und mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, gesetzlich verboten. „Das ist ein deutliches Zeichen. Frankreich hat mit diesem Verbot den richtigen ersten Schritt getan, Deutschland muss nun folgen“, forderte Verbraucherschutzminister Johannes Remmel.
Die unsichtbare Gefahr
Bisphenol A ist in Europa einer der meistproduzierten Stoffe – mehr als eine Million Tonnen werden davon im Jahr hergestellt. BPA steckt als Grundstoff für harte Kunststoffe und Harze in zahlreichen Alltagsprodukten. Oftmals kommen diese auch mit Lebensmitteln in Kontakt, wie etwa Getränke- und Konservendosen, Plastikbecher und -teller, Mikrowellen- und Kochgeschirr oder Behälter für Wasserspender. Wir nehmen Bisphenol A vor allem über Lebensmittel auf. Für Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, gibt es deshalb Vorschriften, wieviel BPA sich maximal herauslösen darf. Damit werden Grenzwerte festgelegt, welche Menge des Stoffes beispielsweise über einen Plastikbecher in den Speichel oder von der Beschichtung einer Konservendose in ein Lebensmittel gelangen darf. Bisphenol A wird darüber hinaus auch bei der Herstellung von Thermopapier wie Quittungen, Bankauszügen oder Kaufbelegen im Supermarkt verwendet. Aus diesem Papier löst sich das BPA sehr leicht heraus und kann auch über die Haut aufgenommen werden. Dieser Aufnahmepfad ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht. Während Bisphenol A für die Herstellung von Babyflaschen bereits seit 2011 EU-weit verboten ist, so ist es in vielen Kinderspielzeugen noch immer enthalten, so zum Beispiel in Scheiben von Spielzeugautos. „Babyfläschchen, die Bisphenol A enthalten, sind aus gutem Grund seit Jahren verboten. Aber dieses Verbot muss weiter gefasst werden. Ob in der Brotdose für das Pausenbrot, in der Konservendose, der CD-Hülle oder dem Kassenbon, die gesundheitlichen Gefahren unserer Plastik-Konsumwelt lauern überall. Davor müssen wir Verbraucherinnen und Verbraucher schützen“, so Minister Remmel.
Mögliche Gesundheitsgefahr im Niedrigdosis-Bereich
Bisphenol A kann auch bereits in sehr geringen Mengen, im so genannten Niedrigdosis-Bereich, gesundheitsgefährdend für den Menschen sein. Das BfR weist darauf hin, dass im Hinblick auf Niedrigdosis-Effekte des Stoffes großer Forschungsbedarf besteht. Verbraucherschutzminister Remmel sieht deshalb Handlungsbedarf: „Wir wissen, dass BPA den Menschen krank machen kann. Wir können nicht ausschließen, dass der Stoff auch in sehr geringen Mengen unterhalb der Nachweisgrenzen freigesetzt wird. Davor müssen wir Verbraucherinnen und Verbraucher schützen.“
Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, La ndwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen – Internet: http://www.umwelt.nrw.de
Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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