Kindern und Jugendlichen, für die der tägliche Schulbesuch eine starke Belastung darstellt bis hin zur Schulverweigerung, kann eine stationäre Rehabilitation helfen, um wieder den (Schul)Anschluss zu bekommen.
„Schulmeidendes Verhalten hat meist vielschichtige Gründe. Betroffene Schüler fühlen sich beispielsweise im Schulalltag überfordert, kommen aufgrund einer langen Krankheitsphase im Lehrplan nicht mit, erleiden zu viele Negativerlebnisse oder werden von ihren Mitschülern ausgegrenzt. Diese Schulangst kann sich wiederum in körperlichen Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen, Schlafproblemen oder Niedergeschlagenheit äußern. Nicht selten sehen die Schüler hier drin sogar eine dankbare Möglichkeit, der Schule fernzubleiben. Wobei ich keineswegs damit meine, dass die Kinder simulieren – im Gegenteil ihr Leidensdruck ist enorm hoch. Sie brauchen unbedingt Unterstützung, um selbstbewusst den Weg zurück in den Schulalltag zu finden und damit eine Basis für das spätere Berufsleben zu haben“, erklärt Dr. Stephan Springer, Chefarzt und Leiter der Klinik Hochried in Murnau, die auf die Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist.
Für diese Kinder und Jugendlichen bietet ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer Kinder- und Jugend-Rehaklinik eine große Chance. Der Schulunterricht ist organisatorisch und pädagogisch in das therapeutische Gesamtkonzept der Reha-Kliniken eingebunden. „Die Reha-Maßnahme muss daher nicht in den Ferien stattfinden, es ist sogar besser sie während der normalen Schulzeit durchzuführen. Losgelöst von zu Hause und vom üblichen Schulumfeld können die Reha-Patienten so der Schule neu begegnen: In der Reha-Schule kann in kleinen Gruppen auf den Leistungsstand und die individuellen Lernprobleme eingegangen werden. In Kursen können verschiedene Lerntechniken geübt und die Lernmotivation verbessert werden. Bei Bedarf werden auch eine Berufsberatung, Schnupper-Praktika und Bewerbungstraining angeboten“, beschreibt Dr. Springer, der auch Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie ist, das Potenzial einer Reha-Schule.
Beim Therapieerfolg ist neben dem Team der Reha-Schule auch das Gruppen-Zusammenleben maßgeblich. „Denn in der Reha lernen die Schüler Kinder und Jugendliche mit ähnlichen Problemen kennen, es bildet sich eine neue Gemeinschaft. Da gibt es nicht die allseits angesagten Cliquenanführer oder die Überflieger, die nur gute Noten schreiben. Im Gegenteil, da treffen sich zum Beispiel Schüler, die aufgrund ihres Aussehens oder ihres Übergewichts gemobbt werden, Schüler, die die Beziehungsprobleme ihrer Eltern mittragen müssen, und Schüler, die einen anderen Lernansatz benötigen als er üblicherweise in staatlichen Schulen vermittelt wird. Dieses konkurrenzfreie Aufeinandertreffen nimmt meist einen enormen Druck von den jungen Patienten, wenn sie sehen, dass sie mit ihren Sorgen nicht allein dastehen und Verständnisfragen stellen dürfen, ohne dass sie von den Mitschülern verspottet werden“, bestätigt auch Dr. Edith Waldeck, Chefärztin der Kinder- und Jugend-Reha-Einrichtung „Edelsteinklinik“, die positiven Auswirkungen einer Kinderreha bzw. Jugendreha bei schulmeidendem Verhalten. „So können im therapeutischen Gesamtkonzept Schulangst abgebaut, Selbstvertrauen aufgebaut und Lernlücken verringert werden. Auf dieser Grundlage wird am Ende des Reha-Aufenthalts zusammen mit dem Schüler und seiner Familie eine erfolgreiche Re-Integration ins Schulleben, die allerdings nicht selten mit einem Klassen- oder Schulwechsel verbunden ist, geplant“, ergänzt die Kinder- und Jugendärztin.
Der Weg dorthin ist sicher nicht einfach. „Es gibt deutschlandweit rund 500.000 Schüler, die unregelmäßig den Unterricht besuchen, davon sind etwa 30.000 Totalverweigerer. Die Betroffenen haben in der Regel einen langen Leidensweg hinter sich, die Ablehnung der Schule entwickelt sich nicht von heute auf morgen, sie ist ein langer Prozess“, meint Dr. Waldeck. „Sollten Eltern bei ihrem Kind erste Anzeichen eines schulmeidenden Verhaltens beobachten, empfehle ich, die Ursachen für die Ablehnung der Schule von einem Kinder- und Jugendarzt oder Kinder- und Jugendpsychiater frühzeitig abklären zu lassen und eine Reha-Maßnahme zu beantragen. Aber auch wenn bereits viele Schulfehlzeiten bestehen, ist dieser Schritt nicht zu spät. Wichtig ist es, diesen jungen Menschen Mut zu machen und ihnen eine Perspektive zu geben, auch in Hinblick auf eine spätere Berufstätigkeit“, betont Dr. Waldeck.
Die Kosten für eine Kinderrehabilitation bzw. Jugendrehabilitation übernehmen die deutschen Rentenversicherungen und die gesetzlichen Krankenkassen. Weitere Informationen rund um das Thema „Kinder- und Jugendreha“ inklusive einer Liste der Kinder- und Jugend-Rehakliniken sowie Tipps zur Antragsstellung erhalten Sie unter www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de
Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0
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