Gesundheit

Fieberkrampf bei Kleinkindern – genetische Entdeckung ebnet Weg zu neuen Medikamenten

Warum entwickeln 2 bis 4% der Kleinkinder im Alter zwischen drei Monaten und fünf Jahren einen epileptischen Fieberkrampf? In einer am 2. November online erschienenen Publikation in Nature Genetics wird von einem internationalen Forscherteam unter Tübinger Leitung ein neuer Schlüssel zum Verständnis dieser Krankheit vorgestellt: Mutationen im Gen STX1B und die damit verbundene Fehlfunktion des Proteins Syntaxin-1B.

Die Mutationen können bereits bei moderatem Temperaturanstieg zu einer Störung der Botenstoffe an den Synapsen, als Folge zu elektrischen Fehlleistungen und damit zu epileptischen Fieberkrämpfen führen, teilen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie mit.

Fieberkrämpfe sind das häufigste Syndrom mit epileptischen Anfällen weltweit. Es betrifft allein in Deutschland rund 100.000 Kinder. „Bei den meisten der kleinen Patienten hört die Neigung zu den Anfällen bis zum Schulalter auf“, so Prof. Dr. med. Holger Lerche, Seniorautor der Studie, Vorstand am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie der Universität Tübingen. „Wir haben nun herausgefunden, dass bei Fieberkrämpfen STX1B-Mutationen einen Prädiktor für Epilepsie darstellen und diese auch Ursache schwerer Epilepsien mit Entwicklungsstörungen sein können“, so Prof. Dr. med. Yvonne Weber, Ko-Leiterin der Studie und Leitende Oberärztin an derselben Einrichtung. Dieses Ergebnis fußt auf umfangreichen Genanalysen mittels Sequenzierungen eines bestimmten Teils der Gene, des sogenannten Exoms, das alle Bauanleitungen für Proteine enthält. Das Tübinger Institut hat gemeinsam mit anderen europäischen Wissenschaftlern das Exom mehrerer betroffener Familien und zahlreicher weiterer Patienten mit schweren, therapieresistenten Epilepsien untersucht und dabei STX1B-Mutationen als einen relevanten Faktor ausfindig gemacht.

Bedeutung auch für schwere, therapieresistente Epilepsien des Erwachsenenalters

Prof. Dr. med. Heinz Beck vom Labor für Experimentelle Epileptologie an der Universität Bonn kommentiert als 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) die Arbeit: „Wir haben den Mechanismus erst unzureichend verstanden, warum ein Teil der Kinder mit Fieberkrämpfen mit der Zeit eine Epilepsie entwickelt. Hierzu leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag“. Prof. Dr. med. Walter Paulus, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie in Göttingen, bewertet die Publikation als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): „Einige dieser fieberempfindlichen Kinder entwickeln später eine schwere Epilepsie, die zu schwersten Beeinträchtigungen bis hin zum plötzlichen Tod führen kann. Ein erheblicher Teil dieser Patienten ist mit bis zu 20 verschiedenen Epilepsiemedikamenten nicht ausreichend gut zu therapieren. Mit solchen Forschungen rückt der Zeitpunkt näher, an dem wir bei therapieresistenten Epilepsien auch im Erwachsenenalter ein umfassendes Verständnis für Ursachen, Therapierbarkeit und auch Prognose erhalten.“

Neue Medikamente: Zebrafische als Modell für temperaturabhängige Fieberkrämpfe

Die Auswirkungen von Mutationen des STX1B-Gens im Organismus wurden im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit von Neurowissenschaftlern in Leuven und Luxemburg experimentell untersucht: Zebrafische mit Mutationen des Gens zeigten anfallähnliche Verhaltensmuster und epilepsietypische Veränderungen der Hirnströme, die sich bei Anstieg der Temperatur zudem deutlich verstärkten. Das Zebrafisch-Tiermodell eignet sich auf längere Sicht auch dafür, neue Wirkstoffkandidaten gegen diese genetisch verursachte Krankheit und verwandte Syndrome zu finden.

Quelle: idw, Universität Tübingen, Nature Genetics

Quelle:  Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) – Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE)

Bild: CleanKids


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