Zwischen 3 und 6% der Schulkinder leiden an einer ausgeprägten Rechenstörung. Und obendrein, auch das konnten LMU-Forscher jetzt zeigen, haben diese Kinder weit häufiger als bislang angenommen mit einer Legasthenie zu kämpfen.

Addieren und subtrahieren, multiplizieren und dividieren – es sind vor allem die Grundrechenarten, an denen Kinder mit Dyskalkulie scheitern. Ihnen fehlt die Vorstellung für Zahlen, für Mengen, fürs Abschätzen, fürs Überschlagen. In den Mathematikstunden kommen sie auf keinen grünen Zweig, auch wenn sie sonst passable Schüler sind. Bei einer solchen Rechenstörung oder Dyskalkulie sprechen Experten deshalb von einer Teilleistungsstörung. Rund 5% aller Schulkinder teilen dieses Schicksal. Je nachdem, um welche Rechenoperation es geht, schwanken die Werte zwischen 3 und 6%. Das belegen LMU-Wissenschaftler um Professor Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, in einer Studie. Für die Untersuchung machten sie entsprechende Tests mit 1.633 Schulkindern aus dritten und vierten Klassen im Münchner Raum.

Die Rechenstörung kann die schulische und psychische Entwicklung der Kinder massiv beeinträchtigen. Sie haben Angst vor der Schule, fürchten sich vor dem Versagen, davor, dass sie vor der Klasse bloßgestellt werden. Wo es geht, behelfen sie sich mit Vermeidungsstrategien. Sie entwickeln ein negatives Selbstbild, lassen in der Schule schließlich auch das verkümmern, was sie können. Spätestens, wenn der Übertritt auf eine weiterführende Schule ansteht, verbaut das Versagen in Mathematik den Kindern meist die Bildungschancen. Und selbst auf den Mittelschulen, auf denen sie dann landen, ist der Abschluss bedroht – wenn die Betroffenen von einer Sechs in Mathe nicht herunterkommen.

Vielversprechendes Intensiv-Training

Dass Kinder an einer Dyskalkulie leiden, beklagt Schulte Körne, werde im Schulalltag immer noch zu häufig zunächst übersehen. Und anders als für die Lese- und Rechtschreibstörung gibt es für die Dyskalkulie in Bayern keine schulrechtliche Regelung, die die betroffenen Kinder entlastet und ihre Lernvoraussetzungen verbessert, moniert Schulte-Körne. „Das kann bei einer Krankheit, die auch biologische Ursachen hat, nicht angehen.“ Dabei wäre es möglich, den Kindern bei Klassenarbeiten eine Zeitverlängerung einzuräumen, Hilfsmittel an die Hand zu geben und schließlich bei ihnen in dem Fach die Notengebung auszusetzen.

Schulische Entwicklungsstörungen treten aber nicht isoliert auf, konnten die LMU-Forscher zeigen. Weit häufiger als bislang angenommen gibt es sogenannte Komorbiditäten. So hatten laut der Studie 57% der Kinder mit einer Rechenstörung obendrein mit einer Lese- oder Rechtschreibstörung oder gleich mit beiden Ausprägungen der Legasthenie zu kämpfen, berichtet Dr. Kristina Moll, Psychologin und Mitglied der Forschergruppe. „Diese Häufigkeiten haben uns überrascht“, räumt Schulte-Körne ein. „Für die schulische Diagnostik, vor allem aber für die Förderung müssen wir umdenken“, ergänzt Kristina Moll. „Die betroffenen Kinder brauchen eine intensive und spezifische Förderung, sonst eben besteht die Gefahr des schulischen Scheiterns, trotz guter Begabung.“ Auch für die Behandlung der Dyskalkulie gibt es laut Schulte-Körne vielversprechende Ansätze, die aber ein intensives, längerfristiges Training mit den Schulkindern voraussetzen.

Auch das Geschlecht, so zeige die Untersuchung, scheint eine Rolle zu spielen, sagt Schulte-Körne: Jungen haben häufiger eine Rechtschreibstörung, Mädchen eine Rechenstörung. Schwierigkeiten beim Lesen haben Mädchen und Jungen indes ähnlich oft. Die Ursache dafür haben die Forscher nicht gefunden. Schulte-Körne vermutet biologische Faktoren als Auslöser, da die Lernumgebungen für beide Geschlechter vergleichbar gewesen seien. (math)

(Luise Dirscherl, Stabsstelle Kommunikation und Presse der Ludwig-Maximilians-Universität München)
Quelle: idwPLOS ONE

Quelle: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
Internet: http://www.kinderaerzte-im-netz.de

Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0


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