Forschung: Mögliche Therapie für Spinale Muskelatrophie

Spinale Muskelatrophie (SMA) ist die häufigste genetische Kindestodesursache. In Deutschland leiden zurzeit etwa 2.000 Personen an SMA. Bei etwa der Hälfte der Patienten ist die Krankheit so stark ausgeprägt, dass sie innerhalb der ersten beiden Lebensjahre versterben.

Bisher gibt es keine Therapie für SMA. In einer internationalen Zusammenarbeit hat die Arbeitsgruppe um Prof. Brunhilde Wirth aus dem Institut für Humangenetik der Uniklinik Köln eine biologische Substanz identifiziert, die zukünftig als Therapeutikum eingesetzt werden könnte. Diese experimentelle Studie wurde im renommierten Journal of Clinical Investigation publiziert.

Spinale Muskelatrophie ist mit einer Neuerkrankungsrate von circa 1 in 6.000 Geburten und einer häufigen Anlageträgerschaft von circa 1:35 in Deutschland eine häufige genetische Erkrankung. SMA führt zur Degeneration der Nerven im Rückenmark, die für Bewegung zuständig sind. Patienten können unterschiedlich stark betroffen sein. Mild betroffene Patienten haben in zunehmenden Alter vermehrt Schwierigkeiten beim Gehen, während schwerer betroffene von Kindheit an auf den Rollstuhl angewiesen sind und nie selbstständig laufen können. Etwa die Hälfte der Patienten sind jedoch so schwer betroffen, dass sie mit wenig oder keiner Kontrolle über ihre Bewegungen bereits im Kindesalter an Atemversagen versterben. Bisher gibt es keine Heilung für SMA.

Die molekulare Ursache für SMA liegt in dem Verlust des SMN1 Gens, was zum Absterben der Motoneuronen führt. Allerdings ist der genaue zelluläre Mechanismus noch nicht vollständig verstanden. Im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit haben die Arbeitsgruppen von Prof. Thomas Gillingwater (Edinburgh, Großbritannien) und Prof. Brunhilde Wirth (Institut für Humangenetik, Institut für Genetik und Zentrum für Molekulare Medizin Köln) eine Substanz identifiziert, die Hoffnung auf eine zukünftige Therapie macht.

Die Wissenschaftler konnten erstmals zeigen, dass der Aufbau eines bestimmten Moleküls in der Nervenzelle – namens beta-Catenin – für die Ausprägung einiger Symptome von SMA verantwortlich ist. Auf Grundlage dieser Entdeckung, gelang es dem Postdoktoranden Markus Rießland aus der Arbeitsgruppe von Prof. Wirth in enger Zusammenarbeit mit dem Zebrafischexperten Prof. Hammerschmidt von der Universität zu Köln, zu zeigen, dass die Behandlung mit Quercetin, einem beta-Catenin-Blocker im Zebrafisch in der Tat die Motoneuronenentwicklung sehr positiv beeinflusste und die Krankheitsausprägung verhindern konnte. Diese Ergebnisse konnten desweiteren durch weitere Versuche bestätigt werden.

Obwohl die Behandlung mit Quercetin – einem Pflanzenfarbstoff, der in einigen Früchten, Gemüsen, Kräutern und Getreiden vorkommt – sehr vielversprechend ist, wurden nicht alle Symptome der Krankheit verbessert. Trotzdem könnte aus diesen Entdeckungen eine Therapieoption entwickelt werden.

Diese Studie zeigt erstmals, dass ein wichtiger zellulärer Instandhaltungsprozess, durch den ungewollte Moleküle aus den Körperzellen entfernt werden, gestört ist und zu einem Verlust der motorischen Nerven führen kann. Dieser Aspekt kann als Ansatzpunkt für weitere zukünftige Therapieentwicklungen von großer Bedeutung sein.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeitsgruppe von Prof. Brunhilde Wirth ist seit Jahren die Entwicklung einer wirksamen Therapie für SMA. Prof. Wirth kommentiert die Ergebnisse wie folgt: „SMA ist eine dramatisch-verlaufende genetische Motoneuronerkrankung. Je besser wir die zellulären Mechanismen verstehen, desto eher werden wir gezielte Therapien entwickeln können. Heute sind wir diesem Ziel ein Schritt näher gerückt.“ Ihr Mitarbeiter Dr. Markus Rießland, der sich ebenfalls schon seit Jahren mit der Entwicklung einer SMA-Therapie beschäftigt, meint: „Diese überraschende Entdeckung wird dabei helfen, den komplexen molekularen Krankheitsmechanismus der SMA besser zu verstehen. Auf dieser Grundlage öffnen sich ganz neue Ansatzpunkte für zukünftige Therapien, so dass den Patienten hoffentlich bald besser geholfen werden kann.“

Quellen: idw, Uniklinik Köln, Journal of Clinical Investigatio

Quelle:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V.
http://www.kinderaerzte-im-netz.de


Bild: Pixabay – Lizenz: Public Domain CC0

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