Selbst Kinder, die im ersten Lebensjahr von ansteckenden Krankheiten verschont blieben, holen das spätestens beim Eintritt in eine Kindertagesstätte oder in den Kindergarten nach. „Wenn kleine Kinder zusammenkommen, können sie sich gegenseitig mit Krankheiten anstecken. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, die allen Eltern lange bekannt ist“ sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendarzt an der Universitätskinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Diese Infekte sind zwar meist unangenehm und belastend, oft aber auch wichtig und notwendig, weil sie das Immunsystem trainieren. Krippenkinder sind anfänglich häufiger krank als Hauskinder, das könnte sich aber längerfristig mit einer höheren Widerstandskraft und weniger Infekten im späteren Kindergarten- oder Schulalter auszahlen“.
Die Ärzte sprechen zwar verniedlichend von „banalen“ Infekten. Rechnet man aber aus, dass ein kleines Kind womöglich drei bis vier Monate im Jahr krank ist, versteht man, dass die Eltern das keineswegs banal finden. Warum unsere hochmoderne Medizin gegen diese alltäglichen Infekte keine wirksamen Hilfen anbietet, wird einem klar, wenn man sich die Ursachen vor Augen führt: Eine unglaubliche Fülle von Viren und anderen Erregern attackiert ständig den Organismus des Kindes und führt entweder zu einer „stillen Feiung“ – das heißt, zu einer unbemerkten Auseinandersetzung des Körpers mit den Erregern – oder zu mehr oder weniger ernsthaften Erkrankungen. „Viele Infektionen sind gewissermaßen Kinderkrankheiten, die man durchmachen muss, um später dagegen immun zu sein“, so Professor Koletzko.
Wann ist die Ansteckungsgefahr am größten?
In der kalten Jahreszeit – und die dauert bei uns vom Spätherbst bis Ende April, oft auch bis zu den Eisheiligen Mitte Mai. Die Kälte spielt allerdings nicht die wichtigste Rolle, denn die meisten Viren sterben sogar an der frischen Luft ab. Bei schlechtem Wetter leben die Kinder auf engem Raum zusammen und die Erreger finden leichter ihre Opfer.
Auf welchem Weg stecken sich die Kinder an?
Entgegen der weitverbreiteten Annahme werden Infektionserreger am häufigsten über die Hände übertragen und nicht durch Speicheltröpfchen beim Husten oder Niesen, betont die Stiftung Kindergesundheit in ihrer aktuellen Stellungnahme. Die Erklärung liegt in dem ihrem Alter entsprechenden unhygienischen Verhalten: Kleine Kinder stecken vieles in den Mund, fassen alles an und haben auch die Finger häufig im Mund. Auch Durchfallkrankheiten sind häufig auf eine Schmierinfektion zurückzuführen. Aber auch schmutzige Handtücher spielen oft eine wichtige Rolle.
Was hilft bei Husten und Schnupfen?
„Antibiotika sind bei Husten und Schnupfen meist unnötig“, unterstreicht Professor Koletzko mit großem Nachdruck. Sie richten nichts aus gegen die Viren, die in aller Regel hinter der Erkältung stecken. Hustenblocker sind meist nur bei starkem Reizoder Krampfhusten notwendig, wenn zum Beispiel das Kind keine Nachtruhe mehr findet und dadurch sehr erschöpft ist. Ansonsten sollte der durchaus nützliche Hustenreiz nicht unterdrückt werden, damit das Kind Schleim und Krankheitserreger wieder loswird.
Trockene, warme Luft im Zimmer verstärkt den Hustenreiz. Gegen eine Austrocknung der Schleimhäute braucht das Kind feuchte Luft in seinem Zimmer, am besten lässt man kühle Luft herein und hängt nasse Handtücher über die Bettgitter. Fußund Armbäder mit ansteigenden Temperaturen helfen bei Beginn der Erkrankung, sie beruhigen und lösen das Sekret. Als Badezusatz kann man Thymian verwenden, er wirkt schleimlösend und krampfstillend, seine ätherischen Öle kann das Kind zusätzlich inhalieren. Auch Inhalationen mit physiologischen Kochsalzlösung oder Kamille haben sich bewährt. Geeignete Hustengetränke sind heißer Tee mit Zitrone, heiße Milch mit Honig. Ebenfalls hilfreich: gekochte Zwiebeln mit Kandis.
Gibt es eine besondere Neigung zu Infekten?
Kinder- und Jugendärzte kennen typische „Infekt-Kinder“, ja regelrechte „Infekt-Familien“, die aus irgendeinem genetischen Grund besonders anfällig für Ansteckungen sind. Mit einem schwachen Immunsystem hat das meist nichts zu tun, oft steckt sogar eine besonders starke Immunreaktion dahinter. Die Infekte dieser Kinder dauern oft länger als die üblichen vier Tage. Das Kind leidet auch schwerer, bei ihm kommt es häufiger zu Komplikationen, zum Beispiel zu einer Mittelohrentzündung.
Ausgeprägte, krankhafte Störungen der Immunabwehr sind dagegen sehr selten, heißt es in der aktuellen Stellungnahme der Stiftung Kindergesundheit. Sie äußern sich meist durch immer wieder auftretende eitrige Infekte, Durchfälle, schlecht zu behandelnde Pilzinfektionen und durch so genannte opportunistische Infekte: Das sind Krankheiten, die durch seltene oder normalerweise völlig harmlose Erreger ausgelöst
werden.
Wie beugt man Ansteckungen vor?
Einen aktiven Schutz gegen ansteckende Krankheiten bieten nur drei Dinge:
Wichtig ist auch, dass vor Eintritt in den Kindergarten der Impfschutz des Kindes überprüft wird und fehlende Impfungen nachgeholt werden. Die empfohlenen Standardimpfungen schützen das Kind gegen die lebensgefährlichen Krankheiten Diphtherie, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung und HIB und sie bieten Schutz vor der riskanten Ansteckung mit Keuchhusten, Masern, Röteln, Mumps, Windpocken und Hepatitis B. Professor Koletzko betont: „Auch das Personal von Kinderkrippen, Kitas und Kindergärten sollte gegen diese Krankheiten geimpft sein!“
Besonders wichtig: Absolutes Rauchverbot in einem Kinderhaushalt!
Welche Ansteckungen kann man verhindern?
Außer den Impfungen gibt es nur wenige wirksame Maßnahmen. Am ehesten kann man noch Babys vor Ansteckungen schützen, indem man sie von kranken Personen fernhält und auf Hygiene achtet (Beispiel: häufiges Händewaschen, strenge Trennung der Handtücher).
Warum stecken sich Kinder so schnell an?
Meistens befinden sich die Erreger schon längere Zeit im Körper des Kindes, bevor die ersten Beschwerden auftreten. Manchmal können Kinder bereits andere anstecken, wenn sie sich noch gar nicht krank fühlen. Ein typisches Beispiel sind die Ringelröteln: Ein Kind, das den Erreger (ein Virus) in sich trägt, ist bereits eine Woche, bevor die ersten Zeichen des Ausschlags auftreten, in hohem Maße anstekkend. Kinder dagegen, die schon „aufgeblüht“ sind, stecken niemanden mehr an. Sie dürfen deshalb getrost wieder in den Kindergarten, auch dann wenn ihr Ausschlag mehrere Wochen anhält. Voraussetzung natürlich: Das Kind fühlt sich wieder wohl.
Der Kinder- und Jugendarzt hat lediglich bei einigen wenigen Krankheiten die Möglichkeit, das Kind auch nach der Ansteckung zu schützen, und zwar mit Hilfe von so genannten Immunglobulinen.
Ihr Nachteil: Sie sind teuer und nicht immer wirksam. Aus diesem Grund greifen die Kinderärzte nur in bestimmten Fällen zu ihnen, zum Beispiel bei chronisch kranken Kindern, die vor einer Komplikation unbedingt geschützt werden müssen. Oder bei Kindern, deren Abwehrkräfte durch bestimmte Medikamente geschwächt sind.
Haben Infekte auch positive Seiten?
Einige Untersuchungen kommen zum Schluss, dass viele Erreger harmloser Infekte dem Kind mehr nützen als schaden, selbst wenn die von ihnen verursachten Beschwerden im Augenblick unangenehm sind. So erkranken Kinder, die in einer Kinderkrippe bereits früh mit vielen Erregern angesteckt worden sind, später seltener an einer Allergie.
Kranke Kinder brauchen liebevolle Pflege
Wird ihr Kind krank, gilt für alle gesetzlich versicherte Mütter und auch für alle Väter der gesetzliche Freistellungsanspruch nach § 45 SGB V und für privat Versicherte gemäß § 616 BGB: Sind beide Eltern berufstätig, kann jeder Elternteil für jedes gesetzlich versicherte Kind bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres bis zu 10 Tage pro Jahr zu Hause bleiben, um das kranke Kind zu pflegen. Das macht zusammen 20 Tage pro Kind. Bei zwei Kindern sind es pro Elternteil 20 Tage. Bei mehreren Kindern kann man sich für höchstens 25 Arbeitstage, als Alleinerziehende für höchstens 50 Arbeitstage im Jahr unbezahlte Freistellung verlangen (von einem „Extraurlaub“ kann bei der Pflege eines leidenden Kindes wohl nicht die Rede sein!).
Alleinerziehende haben Anspruch auf die Gesamtzahl, also auf 20 Arbeitstage bei einem Kind, 40 Tage bei zwei Kindern und 50 Tage ab drei Kindern. Voraussetzung ist, dass sich sonst niemand im Haushalt um das kranke Kind kümmern kann. Die Altersgrenze von zwölf Jahren gilt nicht, wenn das Kind „behindert und auf Hilfe angewiesen“ ist.
Der Arbeitgeber ist allerdings nicht zur Weiterzahlung des Lohns verpflichtet, stattdessen erstattet die Krankenkasse einen Teil des fehlenden Geldes. Das „Kinderpflege-Krankengeld“ beträgt 70 Prozent vom Bruttoverdienst, maximal aber 90 Prozent vom Nettoverdienst. Das dazu benötigte blaue Antragsformular bekommt man vom Kinder- und Jugendarzt. Er bescheinigt auf dem „blauen Schein“, dass das Kind wegen einer Erkrankung Betreuung und Pflege benötigt.
Wie lange besteht „Nestschutz“ gegen Krankheitserreger?
Gegen einige Krankheiten wird das Baby bereits im Mutterleib „geimpft“: Es enthält über das Blut der Mutter Abwehrstoffe, die es nach der Geburt noch mehrere Monate vor bestimmten Infektionen schützen. Voraussetzung: Die Mutter hat die jeweilige Krankheit früher selbst durchgemacht oder ist dagegen geimpft worden.
Gegen Diphtherie und Tetanus sind Babys fünf bis sieben Monate geschützt. Gegen Masern sogar zehn Monate – aber nur, falls die Mutter die Krankheit selbst durchgemacht hat. Ist sie gegen Masern geimpft worden, hält der durch die abgeschwächten Impfviren vermittelte Nestschutz nur bis zum sechsten Monat. Vor Röteln sind Babys bis zum fünften Monat weitgehend sicher, vor Mumps während der ersten sechs bis acht Lebensmonate. An Windpocken erkranken Babys meist erst nach dem vierten Monat. Keinen Nestschutz gibt es gegen Keuchhusten, Scharlach, Tuberkulose und den Meningitis-Erreger HIB. Auch der Nestschutz gegen Kinderlähmung ist nicht zuverlässig.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Internet: www.kindergesundheit.de
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