Bochum – Während einer Schwangerschaft verdoppelt sich der Jod-Bedarf. Jod wird für den Aufbau der Schilddrüsenhormone benötigt. Schon ein geringer Jodmangel schadet der Hirnentwicklung des Kindes. Dies kann eine verminderte Intelligenz zur Folge haben und die Lese- und Sprachfähigkeit des Kindes beeinträchtigen. Anlässlich einer aktuellen britischen Studie empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) schwangeren Frauen die Einnahme von Jodtabletten.
Die Forscher, deren Studie kürzlich in der Fachzeitschrift The Lancet veröffentlicht wurde, hatten in Südengland etwa 1000 Kinder von der Schwangerschaft ihrer Mütter bis zum Grundschulalter begleitet. Bei zwei Drittel der Schwangeren war in einem Harntest ein Jodmangel festgestellt worden. Ihre Kinder hatten im Alter von acht Jahren häufiger schlechtere Ergebnisse im sprachlichen Teil eines Standard-Intelligenztests für Kinder als der Durchschnitt, und im neunten Lebensjahr fielen sie bei einer schulpsychologischen Untersuchung durch verminderte Fähigkeiten in Lese-Tests auf. „Sie waren langsamer, machten mehr Fehler und verstanden den Text schlechter als Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft ausreichend mit Jod versorgt waren“, berichtet Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). „Die Unterschiede in der kognitiven Entwicklung, also in Bezug auf die verstandesmäßigen Fähigkeiten, waren statistisch eindeutig. Eine Folge könnten schlechtere Schulnoten sein.“
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrachtet Jodmangel während der Schwangerschaft als die wichtigste vermeidbare Ursache für einen Hirnschaden des Kindes. „Am meisten betroffen sind Entwicklungsländer. Doch auch die entwickelten Länder sind keineswegs immun, wie die aktuelle Studie aus Großbritannien zeigt“, warnt Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Vize-Präsidentin der DGE und Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Universitätsklinikum Essen. Auch in Deutschland hätten viele Schwangere einen Jodmangel. Etwa ein Fünftel der Frauen habe schon vor der Schwangerschaft eine leichte Schilddrüsenvergrößerung, Struma genannt, die auf einen Mangel zurückzuführen ist.
Als lebenswichtiges Spurenelement muss Jod über die Nahrung aufgenommen werden. Seit bald 100 Jahren sind die Konsequenzen eines Jodmangels bekannt. Reagiert wurde darauf durch das Anreichern von Speisesalz mit Jod und die Verwendung dieses jodierten Salzes in der Nahrungsmittelindustrie. Seit einigen Jahren gibt es einen umgekehrten Trend. Professor Schatz: „Meersalz wird als ‚natürlicher‘ angepriesen und jodfreies Salz wird weltweit vermehrt von Lebensmittelherstellern eingesetzt. Wir gehen wieder einem Jodmangel entgegen, der nicht sein müsste.“
Mit Jod angereichertes Speisesalz allein ist für Schwangere nicht ausreichend, um das Joddefizit zu senken. „Wir empfehlen weiterhin, dass Schwangere und auch stillende Mütter nach Rücksprache mit ihrem Arzt Jodtabletten einnehmen“, betont Professor Führer. Die WHO empfiehlt bei Schwangerschaft und in der Stillzeit eine Jodaufnahme von insgesamt 250 Mikrogramm (µg) pro Tag. Da mit der Nahrung täglich etwa 100 µg aufgenommen werden, heißt das konkret, dass die Schwangere pro Tag eine Tablette mit 100-150 µg Jod nehmen sollte. Die DGE-Vize-Präsidentin ergänzt: „Wir beobachten, dass Jodtabletten zu wenig verordnet werden.“ Auch dies könnte zu einer Zunahme des Jodmangels bei Schwangeren beigetragen haben.
Literatur:
Bath SC., Steer CD., Golding J., Emmett P., Rayman MP.: Effect of inadequate iodine status in UK pregnant women on cognitive outcomes in their children: results from the Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC). Lancet 2013; doi: 10.1016/S0140-6736(13)60436-5.
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
www.endokrinologie.net
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