Die Zahl der Organspenden ist auch in diesem Jahr weiter rückläufig. Im ersten Quartal 2013 gab es deutschlandweit 230 Organspender, im Vorjahreszeitraum waren es noch 281.
Die Leidtragenden sind die Patienten auf der Warteliste, die länger und zum Teil sogar vergeblich auf eine lebensrettende Transplantation warten müssen. Die Wartelistenmanipulationen an einigen Kliniken haben für starke Verunsicherung in der Bevölkerung gesorgt. Der damit verbundene Vertrauensverlust verschärft den bestehenden Organmangel und damit die oft ausweglose Situation für viele Patienten. Darum ist es gerade jetzt wichtig, sich unvoreingenommen mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen. Eine Organspende ist nach wie vor ein großes Geschenk der Mitmenschlichkeit und Solidarität und rettet Menschenleben.
Eigentlich sollte ein Missbrauch von Organen in Deutschland nicht möglich sein. Die Bereiche der Organspende, -vermittlung und -transplantation sind im Transplantationsgesetz (TPG) organisatorisch streng voneinander getrennt, um mögliche Interessenskonflikte der beteiligten Partner zu verhindern. Die Spenderorgane werden laut TPG nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit, also nach festgelegten medizinischen Kriterien an die Wartelistenpatienten vergeben. Die Richtlinien für die Organvergabe hat die Bundesärztekammer festgelegt. Einzelnen Kliniken wird jedoch vorgeworfen, Daten der Patienten auf der Warteliste manipuliert zu haben, so dass ihnen schneller ein Organ zugeteilt wurde. Beispielsweise haben Ärzte Blutproben oder Laborwerte manipuliert und fälschlicherweise Dialysen angegeben, um die Transplantation dringlicher erscheinen zu lassen. Nach Bekanntwerden der Manipulationen wurden die Sicherheitsvorkehrungen gegen Betrug sofort deutlich verschärft.
Im September 2012 hat die Überprüfung aller 47 Transplantationszentren begonnen. Alle Transplantationsprogramme werden mindestens einmal in einem Zeitraum von drei Jahren vor Ort geprüft. Derzeit sind sämtliche Lebertransplantationsprogramme an der Reihe. Um Manipulationen zu verhindern, entscheidet in allen Transplantationszentren nun eine sogenannte interdisziplinäre Transplantationskonferenz, die aus mindestens drei Personen besteht, über die Aufnahme in die Wartelisten und deren Führung. Dabei wird eine medizinische Fachrichtung einbezogen, die keine Verbindung zur Transplantationsmedizin hat und direkt dem ärztlichen Direktor der Klinik untersteht. Die Entscheidung der Ärzte muss zudem an die internationale Organvermittlungsstelle Eurotransplant gemeldet werden, so dass man nachvollziehen kann, welcher Patient wann von welchen Ärzten auf die Warteliste gesetzt wurde. Alle Veränderungen auf der Warteliste müssen in dieser Weise nachvollziehbar sein.
Organhandel ist nach dem Transplantationsgesetz unter Strafe gestellt. Die Bereiche der Organspende und Transplantation werden in Deutschland durch die Überwachungskommission, die Prüfungskommission, die Ständige Kommission Organtransplantation, die zuständigen Vertragspartner, also dem GKV-Spitzenverband, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Bundesärztekammer, sowie dem Bundesgesundheitsministerium und dem zuständigen Regierungspräsidium überprüft.
Gelingt eine Organvergabe nach dem üblichen Verfahren nicht oder droht der Verlust eines Spenderorgans, kann die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant zum so genannten beschleunigten Vermittlungsverfahren wechseln. Um die Ischämiezeit (die Zeit, in der die Organe nicht durchblutet werden) möglichst kurz zu halten, werden Organe im beschleunigten Vermittlungsverfahren primär innerhalb einer Region angeboten. Die Vermittlungsstelle stellt dabei dem Zentrum oder den Zentren eine Liste von potentiellen Empfängern zur Verfügung, nach der das Zentrum oder die Zentren den gegenwärtig am besten geeigneten Empfänger in der Reihenfolge der Auflistung auswählen. Wenn Patienten aus mehr als einem Zentrum in Betracht kommen, wird das Organ dem Patienten zugeteilt, für den die Akzeptanzerklärung des zuständigen Zentrums als erste bei der Vermittlungsstelle eingegangen ist. Die Zentren müssen die Gründe für ihre Auswahlentscheidung gegenüber der Vermittlungsstelle dokumentieren.
Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer ist Eurotransplant zu dem Verfahren berechtigt, wenn eine Kreislaufinstabilität des Spenders eintritt, aus logistischen oder organisatorischen Gründen ein Organverlust droht oder aus spender- oder organbedingten Gründen drei Zentren das Angebot eines Herzens, einer Lunge, einer Bauchspeicheldrüse oder einer Leber oder fünf Zentren das Angebot einer Niere abgelehnt haben. Das beschleunigte Vermittlungsverfahren soll damit verhindern, dass Organe nicht rechtzeitig vermittelt werden können und damit verworfen werden. Organe werden beim beschleunigten Vermittlungsverfahren also nicht an der Warteliste vorbei vergeben. | Mehr Infos >>
Bei der Organvergabe spielt der Versichertenstatus keine Rolle. Privatpatienten können nicht bevorzugt werden, da der Versicherungsstatus nicht Teil der Organvermittlung via Computeralgorithmen bei Eurotransplant ist. Zwar wird der Versicherungsstatus der Patienten auf der Warteliste zur Abrechnung von den Transplantationszentren an Eurotransplant übermittelt, beim Matching von Spender und möglichem Empfänger aber nicht ausgewiesen.
Das System der Organspende, Organvermittlung und Transplantation ist in Deutschland dreistufig aufgebaut. Jede Stufe ist bei einer anderen Organisation angesiedelt. Die DSO ist für Schritt eins, die Koordinierung der postmortalen Organspende in den Entnahmekrankenhäusern zuständig. Schritt zwei, die Organvermittlung, liegt in der Verantwortlichkeit der internationalen Vermittlungsstelle Eurotransplant in den Niederlanden. Für die Organtransplantation und die Anmeldung auf die Warteliste sind die Transplantationszentren verantwortlich. Die für die Organspende und Transplantation zuständigen Organisationen werden durch unterschiedliche Kommissionen überprüft.
Die DSO hat keine Möglichkeiten zur Kontrolle der Wartelistenführung oder der Organvermittlung. Sie kann aber Auffälligkeiten oder Hinweise, die sie erhält, an die entsprechenden Kommissionen weiterleiten.
Das Vertrauen in das System der Organspende, Verteilung und Transplantation wurde erschüttert. Zwar sind die Organspende und die Organübertragung getrennte Bereiche mit eigenen Regeln, aber wenn Ärzte bei der Wartelistenführung manipulieren, ist das gesamte System betroffen. Deshalb müssen alle beteiligten Organisationen gemeinsam daran arbeiten, zukünftig Manipulationen auszuschließen und Vertrauen zurückzugewinnen.
Die Organspendezahlen des Jahres 2012 sind im Vergleich zum Vorjahr um knapp 13 Prozent zurückgegangen und haben damit den niedrigsten Stand seit 2002 erreicht. Am deutlichsten war der Rückgang im Verlauf des zweiten Halbjahres 2012 nach Bekanntwerden der Manipulationen in einigen Transplantationszentren.
Nur durch Aufklärung und Transparenz kann das Vertrauen zurückgewonnen werden. Strenge Kontrollen aller Transplantationszentren sind bereits angelaufen und die Richtlinien zur Aufnahme auf die Warteliste wurden verschärft, damit Manipulationen künftig weitgehend ausgeschlossen sind.
Quelle:
Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO)
http://www.dso.de/
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