Verbraucher

Goldener Windbeutel 2013: Capri-Sonne weist foodwatch-Aktivisten zurück

Eppelheim, 16. Mai 2013. „Ich will keine Kinder mehr verführen“ – mit diesem Demonstrationsschild protestierte eine zwei Meter große, wandelnde Capri-Sonne an der Zentrale von Hersteller Wild (Deutsche SiSi-Werke). „Lasst die Kinder mit eurem Zuckerbomben-Marketing in Ruhe“, steht auf einem Transparent vor dem Firmengelände – und auf der Straße vor der Pforte, gesprüht mit Kreide-Spray.

Mit dieser Aktion in Eppelheim bei Heidelberg haben Aktivisten der Verbraucherorganisation foodwatch heute den Goldenen Windbeutel 2013 verliehen, den Negativpreis für die dreisteste Werbemasche des Jahres bei einem Kinderlebensmittel.

Der goldenste Windbeutel der Welt für den berühmtesten Folienbeutel der Welt

Mit aggressivem Marketing gezielt an Kinder versuchen Unternehmen, den Verkauf von Junkfood und Soft Drinks anzuheizen. Rund 120.000 Verbraucher haben in den vergangenen vier Wochen online auf www.goldener-windbeutel.de unter fünf Kandidaten abgestimmt, welcher Hersteller es am schlimmsten treibt. Eindeutiger „Sieger“ mit mehr als 50.000 Stimmen: Die Wild-Gruppe/SiSi-Werke mit ihrem zuckrigen Getränk Capri-Sonne.

Obwohl foodwatch den fünf nominierten Unternehmen bereits zum Start der Abstimmung einen Besuch beim Gewinner für den heutigen Tag angekündigt und um ein Gespräch angefragt hatte, machte Wild die Schotten dicht. Das Unternehmen lehnte die Annahme des Preises ab. Die Pförtner forderten zunächst Fernsehteams und Hörfunkjournalisten auf, ihre Aufnahmen zu stoppen. Im Pförtner-Häuschen sagten sie den foodwatch-Aktivisten dann unter Ausschluss von Medienvertretern, dass die Geschäftsführung nicht im Hause sei und kein Unternehmensvertreter für ein Gespräch zur Verfügung stehe. Die goldene Windbeutel-Skulptur mussten die foodwatch-Aktivisten wieder mitnehmen: „Wir dürfen keine Gegenstände annehmen“, so die Pförtner. „Wir sollen ausrichten, dass die Deutsche SiSi das Geschenk nicht annimmt.“ Die Aufforderung „Lasst die Kinder mit Zuckerbomben-Marketing in Ruhe“ ließ foodwatch als alternatives „Geschenk“ auf der Straße vor der Pforte zurück. Die Pförtner händigten lediglich eine schriftliche Stellungnahme aus, in der der Hersteller zwar erklärt, dass er (wie vorgeschrieben) alle Zutaten „vollständig“ und „auf jedem Beutel“ deklariert – aber mit keiner Silbe auf die Kritik am aggressiven Marketing bei Kindern eingeht.

„Soft Drinks wie die Capri-Sonne haben Wissenschaftler als eigenständigen Risikofaktor für Übergewicht ausgemacht. 15 Prozent der Kinder gelten schon als übergewichtig, und Capri-Sonne tut alles dafür, dass es noch mehr werden“, erklärte Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei foodwatch. „Wild gehört zu den Lautesten, wenn es darum geht, schon kleinen Kindern in Schulen und bei Freizeitveranstaltungen seinen zuckrigen Drink aufzudrängen – bei der Kritik von mehr als 50.000 Verbrauchern stellt sich das Unternehmen aber auf taub. Wir fordern, dass Capri-Sonne alle Marketingaktivitäten einstellt, die sich direkt an Kinder richten.“

Bei der von foodwatch ausgerufenen Online-Wahl zum Goldenen Windbeutel auf www.goldener-windbeutel.de haben sich vom 18. April bis zum 15. Mai 2013 insgesamt 119.835 Verbraucher beteiligt.

Das Ergebnis im Detail:

1. Capri-Sonne von Wild/SiSi-Werke: 51.054 Stimmen / 42,6 %
2. Paula von Dr. Oetker: 26.231 Stimmen / 21,9 %
3. Kosmostars von Nestlé: 24.710 Stimmen / 20,6 %
4. Monsterbacke Knister von Ehrmann: 11.580 Stimmen / 9,7 %
5. Pom-Bär von funny-frisch (Intersnack): 6.260 Stimmen / 5,2 %

Capri-Sonne (in der Geschmacksrichtung Orange) enthält pro 200-Milliliter-Beutel umgerechnet sechseinhalb Stück Würfelzucker und damit mehr als ein gleich großes Glas Fanta Orange. Eine ganze Reihe von Marketingaktivitäten für Capri-Sonne zielen direkt auf Kinder: Capri-Sonne tritt als Sponsor und Veranstalter von Kinder-Sportevents auf, betreut Kinder in Hotelanlagen, spricht diese gezielt mit einer Internetseite an und macht sie über ihre facebook-Seite zu Markenbotschaftern. Bis Anfang Mai verbreitete der Hersteller zudem werbliches Unterrichtsmaterial an Grundschullehrer, in dem Kindern die Ernährungsempfehlung ausgesprochen wurde, „viel“ Capri-Sonne zu verzehren. Nach der foodwatch-Kritik stoppte Wild die Verbreitung des Materials – ein erster, kleiner Erfolg des Goldenen Windbeutels 2013.

Anders als in den Vorjahren hatte foodwatch beim Goldenen Windbeutel 2013 nicht die Werbelüge des Jahres, sondern die dreisteste Werbemasche bei einem Kinderprodukt gesucht. Nachdem in den Jahren 2009 bis 2012 das Thema Etikettenschwindel im Blickpunkt stand, möchte foodwatch nun das Problem der Fehlernährung bei Kindern und die Verantwortung der Lebensmittelindustrie in den Fokus rücken. Bei einem Marktcheck mit mehr als 1.500 Produkten hat foodwatch 2012 belegt, dass drei Viertel der direkt an Kinder vermarkteten Lebensmittel zur Kategorie der süßen oder fettigen Snacks gehören. Das Angebot folgt einer ökonomischen Logik: Während die Gewinnmargen bei Obst und Gemüse unter 5 Prozent liegen, betragen sie bei Junkfood, Soft-Drinks und Süßwaren bis zu 18 Prozent. Lebensmittelhersteller haben daher ein finanzielles Interesse daran, möglichst viele unausgewogene Kinderprodukte zu verkaufen.

Link:

– Ergebnisse der Wahl zum Goldenen Windbeutel: www.goldener-windbeutel.de

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