Kinderallergologen warnen: Unerwünschte Nebenwirkungen nach Kaiserschnitt

In Deutschland kommt inzwischen etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. Kinderallergologen sehen diese hohe Zahl mit Sorge. Sie verweisen nicht nur auf akute Risiken für Mutter und Kind wie Narkoseprobleme und Infektionsgefahren, sondern warnen vor allem vor möglichen Langzeitfolgen: Mit Kaiserschnitt entbundene Kinder haben ein um 20 Prozent höheres Risiko, Asthma bronchiale zu entwickeln.

In den vergangenen 50 Jahren ist der Anteil von Kaiserschnitten an allen Geburten fast weltweit angestiegen. Während z. B. in England 1953 nur zwei Prozent der Kinder mit Kaiserschnitt geboren wurden, lag die Rate 1997 bereits bei 18, 2001 bei 21 und aktuell bei 30 Prozent.

Auch in Deutschland kommt heute etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. „Oft sind es medizinische Gründe, die einen Kaiserschnitt unumgänglich machen“, erklärt Prof. Dr. Matthias Kopp (Kiel), Sprecher der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe „Prävention“ der Gesellschaft für Pädiatrischen Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und Vorsitzender des Präventions- und Informationsnetzwerkes Asthma und Allergie (PINA e.V.). „In zunehmendem Maße wünschen sich Mütter aber eine Schnittentbindung auch ohne medizinische Indikation.“ Im Englischen gibt es eine griffige Formulierung für diese Mütter, denen unterstellt wird, „too posh to push“ – „zu fein zum Pressen“ zu sein.

Dabei sind Kaiserschnittentbindungen keineswegs nebenwirkungsfrei. Abgesehen von akuten Risiken für Mutter und Kind wie Narkoseproblemen, Schmerzen und Infektionsgefahren drohen den Kindern auch Spätfolgen. „Ärzte sollten bei der Beratung von Schwangeren die Vor- und Nachteile einer Schnittentbindung immer gründlich abwägen. Sie sollten gerade darauf hinweisen, dass ein Kaiserschnitt ungewollte Langzeitfolgen haben kann und zum Beispiel das Risiko für ein späteres Asthma erhöht“, so Prof. Kopp.

Mittlerweile sind verschiedene kurz- und langfristige Folgen des Geburtsmodus „Kaiserschnitt“ bekannt. Kurzfristige Veränderungen sind an den Atemwegen, im Stoffwechsel, beim Blutdruck, in der Temperaturregula­tion und im Fütterverhalten zu beobachten. Langzeiteffekte betreffen zum Beispiel das Immunsystem.

Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen noch nicht aufgeklärt sind, scheint die Besiedelung des Darms mit Bakterien nach der Geburt eine große Rolle für die Immunantwort und die Barrierefunktion des Darmes zu spielen. Bei der Geburt ist der Darm zunächst „steril“, wird dann aber sehr rasch mit verschiedenen Bakterienstämmen besiedelt. Bei vaginal entbundenen Kindern überwiegt die vaginale Bakterien-Flora der Mutter. Kaiserschnitt-Babies haben keinen natürlichen Kontakt mit der Vaginalflora der Mutter. Die Vielfalt der Darmflora ist nach Kaiserschnitt deutlich geringer im Vergleich zur natürlichen Geburt.

Zahlreiche Studien haben so auch einen Zusammenhang zwischen dem Geburtsmodus und dem Allergierisiko aufgezeigt: Wer per Kaiserschnitt auf die Welt kam, ist signifikant häufiger gegen Nahrungsmittel und Inhalationsallergene sensibilisiert. Zusätzlich hatten Kaiserschnitt-Babys ein erhöhtes Risiko für obstruktive Atemwegserkrankungen. Weitere Studien zeigen, dass Kinder nach Kaiserschnitt ein um etwa 20 Prozent erhöhtes Risiko haben, Asthma bronchiale zu entwickeln.

PD Dr. Christian Vogelberg, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Pneumologie und Allergologie (APPA) und stellvertretender Sprecher der AG Prävention, stellt daher fest: „Eine Kaiserschnittentbindung ohne medizinische Indikation ist weiterhin nicht wünschenswert.“ Wie Prof. Kopp plädiert auch er für weitere Forschungen in diesem Bereich: „Wir wollen in Zukunft besser verstehen, warum Kinder nach Kaiserschnitt ein höheres Allergierisiko haben. Langfristig wollen wir dieses Allergierisiko senken, wenn eine Kaiserschnittentbindung aus medizinischen Gründen unumgänglich ist.“

Bis dahin sollte sich in der Bevölkerung und bei dem Personal im Gesundheitswesen aber herumsprechen, dass es für eine Kaiserschnittentbindung gute Gründe geben muss. „Too posh to push“ zählt nicht dazu!

Quelle:
Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V.
http://www.gpau.de/

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