Europäischer Gerichtshof hat entschieden: Behörden dürfen vor Ekel Lebensmitteln warnen

Es handelt sich insbesondere um die Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde

eurechtDie Verordnung über die Lebensmittelsicherheit [1] gewährleistet, dass Lebensmittel, die nicht sicher, d. h. gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist ein Lebensmittel, das infolge einer Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist. Die Mitgliedstaaten müssen ein System amtlicher Kontrollen betreiben und andere angemessene Maßnahmen durchführen, einschließlich der öffentlichen Bekanntgabe von Informationen über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln.

Am 16. und 18. Januar 2006 führte das Veterinäramt Passau amtliche Kontrollen in mehreren Betriebsstätten des auf dem Gebiet der Verarbeitung und des Vertriebs von Wildfleisch tätigen Unternehmens Berger Wild GmbH durch. Die durchgeführten Analysen ergaben, dass die fraglichen Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet waren. Die bayerischen Behörden teilten dem Unternehmen mit, dass sie beabsichtigten, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wenn nicht das Unternehmen selbst dies effektiv und rechtzeitig tue. Das Unternehmen widersprach dem, weil es der Ansicht war, dass bei den Lebensmitteln sensorische Abweichungen auftreten könnten, sie aber keine Gesundheitsgefahr darstellten. Es bot an, eine „Produktwarnung“ herauszugeben, in der seine Kunden gebeten würden, die betroffenen Produkte an den üblichen Verkaufsstellen umzutauschen.

In drei Pressemitteilungen vom 24., 25. und 27. Januar 2006 informierte der Verbraucherschutzminister des Freistaats Bayern über den Rückruf der fraglichen Produkte. Er gab bekannt, dass die Untersuchungen ergeben hätten, dass genommene Proben ranzig, stickig, muffig oder sauer gerochen hätten und in manchen Fällen der Fäulnisprozess bereits eingesetzt habe. Weiter teilte er mit, dass dem Unternehmen, da in bestimmten Betriebsstätten ekelerregende hygienische Zustände vorgefunden worden seien, vorübergehend verboten worden sei, die in diesen Betriebsstätten hergestellten oder behandelten Produkte in den Verkehr zu bringen.

In einer Rede vor dem Bayerischen Landtag am 31. Januar 2006 erklärte der bayerische Verbraucherschutzminister, dass die Berger Wild GmbH am selben Tag Insolvenz angemeldet habe und keine Ware mehr vertreiben könne, so dass eine Gesundheitsgefährdung durch neu in den Verkehr gebrachte Produkte auszuschließen sei.

Da sich das Unternehmen durch die Pressemitteilungen der Behörden des Freistaats Bayern massiv geschädigt sah, erhob es Schadensersatzklage gegen diesen.

In diesem Zusammenhang möchte das mit der Sache befasste Landgericht München I vom Gerichtshof wissen, ob das Unionsrecht der deutschen Regelung [2] entgegensteht, nach der die Behörden die betreffenden Informationen bekanntgeben konnten.

In seinem Urteil von heute befindet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung wie der in Rede stehenden deutschen Regelung nicht entgegensteht, nach der eine Information der Öffentlichkeit über nicht gesundheitsschädliche, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignete Lebensmittel unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels und des Unternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht wurde, zulässig ist; zu beachten sind dabei die Anforderungen der Geheimhaltungspflicht.

Der Gerichtshof weist insoweit darauf hin, dass ein Lebensmittel, das für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, nach der Verordnung über die Lebensmittelsicherheit als „nicht sicher“ gilt. Auch wenn ein Lebensmittel nicht gesundheitsschädlich ist, genügt es nämlich, soweit es als für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel anzusehen ist, gleichwohl nicht den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit gemäß dieser Verordnung. Ein solches für den Verzehr durch den Menschen ungeeignetes Lebensmittel kann daher die Verbraucherinteressen beeinträchtigen, deren Schutz zu den Zielen gehört, die mit dem Lebensmittelrecht verfolgt werden. Die nationalen Behörden können daher die Verbraucher darüber informieren, wobei die Anforderungen an die Geheimhaltung [3] zu beachten sind.

 

[1] Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der
allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1).

[2] Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch vom 1. September 2005 (BGBl. 2005 I S. 2618),
berichtigt am 18. Oktober 2005 (BGBl. 2005 I S. 3007), in seiner vom 17. September 2005 bis 24. April 2006 geltenden
Fassung.

[3] Gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004
über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der
Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz (ABl. L 165, S. 1, Berichtigung ABl. L 191, S. 1).

Quelle:
Gerichtshof der Europäischen Union
http://curia.europa.eu/

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