Mainz – Nach Ansicht von Patientenvertretern und Gesundheitsexperten vertuschen viele Kliniken Probleme bei der Frühchenversorgung. Das berichtet REPORT MAINZ. Patientenvertreter kritisieren, dass Komplikationen und Sterberaten bei Frühgeborenen nicht offen gelegt würden. Sie sehen vor allem wirtschaftliche Gründe als Ursache: Das Geschäft mit Frühgeborenen gilt für Kliniken als äußerst lukrativ. Kliniken befürchteten, so die Patientenvertreter, Frühchen als Patienten zu verlieren, wenn Mängel bei der Versorgung öffentlich gemacht würden.
Karl Lauterbach (SPD): „Blockadepolitik ist absolut unethisch“ |
Patientenvertreter des Verbraucherzentrale Bundesverbandes üben im Interview mit REPORT MAINZ Kritik an der mangelnden Transparenz bei der Frühchenversorgung: „Meine persönliche Kritik daran ist, dass dauerhaft Eltern die Möglichkeit verwehrt wird, tatsächlich zutreffende und auch harte Informationen über Krankenhäuser zu bekommen. Das bedeutet wiederum, dass sie sich nicht die guten Krankenhäuser für ihr Kind aussuchen können, sondern eigentlich fast willkürlich entscheiden müssen“, sagt Ilona Köster-Steinebach, Patientenvertreterin beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
Bereits 2012 hätte ein Internetportal im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) freigeschaltet werden sollen, mit dem werdende Eltern sich über die Qualität der Kliniken vergleichend und laienverständlich informieren können sollen. Doch das sei bisher immer noch nicht geschehen, erklärt Köster-Steinebach. Wann das Vergleichsportal komme, sei weiter offen. Krankenhausvertreter versuchten, die Offenlegung der Komplikationen und Sterberaten bei Frühchen zu verhindern: „Ich persönlich erlebe das immer wieder als eine Verzögerungs- und Verschleppungstaktik, die vor allen Dingen von der Krankenhausseite ausgeht, aber gedeckt wird auch von den Gesetzlichen Krankenkassen. Und die Hintergründe sind ganz einfach: Eine Behandlung eines Frühgeborenen bringt sehr viel Geld, und auch eine entsprechende Station bringt sehr viel Prestige für die Krankenhäuser. Das wollen die Krankenhäuser, die schlechte Ergebnisse haben, nicht verlieren.“
Köster-Steinebach kritisiert: „Meiner Ansicht nach geht die Verzögerungstaktik der Krankenhäuser eindeutig zu Lasten der Eltern und der Kinder, denn in der Gesamtheit bedeutet das, dass mehr Kinder in Deutschland sterben, dass mehr Frühchen in Deutschland schwere Behinderungen davontragen, als es notwendig gewesen wäre. Und das jedes einzelne Jahr.“
SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach erklärt: „Krankenhäuser haben natürlich kein Interesse daran, dass die schlechte Qualität, die von ihnen im Einzelfall angeboten wird, öffentlich wird, sonst würden die Eltern nicht mehr kommen. Das ist ja ein planbarer Eingriff. Und wer würde schon gerne sein Kind einem solchen Risiko aussetzen, wenn er wüsste, dass die Klinik dafür eigentlich nicht geeignet ist?“ Er sieht vor allem Profitinteressen der Kliniken als Motiv für die mangelnde Transparenz: „Ich würde davon ausgehen, dass es auch ums Geld geht. Es ist tatsächlich so, dass ein komplizierter Fall eines Frühgeborenen bis zu 150.000 Euro, ich sage mal: Ertrag, bringen kann. Und es ist tatsächlich von den Häusern, die dort weniger gute Qualität aufweisen, durchweg zu vermuten, dass auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen.“
Im Interview mit REPORT MAINZ kritisiert Lauterbach: „Diese Blockadepolitik ist absolut unethisch, weil hier die Kinder zum Teil mit bleibenden Schäden geboren werden oder einige versterben sogar. Das wird in Kauf genommen, zum Teil aus wirtschaftlichen Gründen. Das ist aus meiner Sicht nicht tragbar.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erklärt auf Anfrage von REPORT MAINZ, Krankenhäuser stellten sich bereits „umfangreichen Qualitätssicherungsmaßnahmen“. Man unterstütze „uneingeschränkt“ die geplante Internetplattform mit „Informationen zur Qualität der Versorgung sehr kleiner Frühgeborener in deutschen Perinatalzentren“. Bei der Umsetzung gebe es allerdings noch „vereinzelte Probleme hinsichtlich technischer Abläufe“. Daraufhin entgegnet Patientenvertreterin Köster-Steinebach: „2012 war das Portal technisch wie inhaltlich im Wesentlichen fertig gestellt. Insofern muss man davon ausgehen, dass es längst den Patienten zur Verfügung stehen sollte.“
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