U3-Betreuung in Deutschland – werden wir unseren Kindern gerecht?
Ab August 2013 haben Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, entweder in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer entsprechend qualifizierten Tagesmutter. Wer dies nicht in Anspruch nimmt, hat ersatzweise Anspruch auf ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 € pro Kind und Monat.
Über diese neue Familienpolitik wird heftig und kontrovers gestritten. Mütter, die nach der Geburt eines Kindes frühzeitig wieder berufstätig werden, müssen sich insbesondere von Frauen, die für sich eine andere Lebensplanung gewählt haben, heftige Vorwürfe und Bezeichnungen wie „Rabenmutter“ gefallen lassen. Umgekehrt spricht man herabqualifizierend vom „Heimchen am Herd“.
Tatsache ist, dass immer mehr Frauen bestens qualifiziert sind und unsere Gesellschaft auf diese Frauen mit ihren Qualifikationen nicht verzichten kann. Gerade die Medizin wird zunehmend weiblich (bei den Kinder- und Jugendärzten 80% des Nachwuchses), und ohne berufstätige Frauen bräche die Gesundheitsversorgung in Deutschland zusammen.
Auch sind viele Familien auf ein Zweiteinkommen angewiesen. Alleinerziehende haben oft ebenfalls keine andere Wahl, als früh wieder berufstätig zu sein. Diese Entscheidung gilt es zu respektieren, und der Staat muss, wie es ja in anderen europäischen Ländern längst etabliert ist, hervorragend ausgestattete Betreuungs- und Bildungseinrichtungen auch für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stellen und Erzieherinnen und Erzieher für diese erweiterten Bildungsaufgaben bestens qualifizieren. Gerade für Kinder aus bildungsfernen Familien und aus zugewanderten Familien mit Deutsch als Zweitsprache ist die frühe Förderung existentiell.
Qualität lässt arg zu wünschen übrig!
Es gibt in Deutschland bislang keine übergreifend angelegten Untersuchungen zur pädagogischen Qualität in den verschiedenen Betreuungsformen. Wie wir aus der NUBBEK-Studie (Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit) vom April 2012 wissen, ist die Qualität pädagogischer Prozesse in der Mehrzahl der Einrichtungen allerdings unbefriedigend und muss unbedingt verbessert werden. Gute pädagogische Prozessqualität kommt dabei in jedem der Betreuungssettings in weniger als 10 Prozent der Fälle vor; unzureichende Qualität dagegen – mit Ausnahme der Tagespflege – in zum Teil deutlich mehr als 10 Prozent der Fälle.
90 Prozent der in der Studie untersuchten Eltern betreuten im ersten Lebensjahr ihre Kinder alleine oder nutzten zusätzlich Ressourcen der erweiterten Familie, in der Mehrheit Großeltern (24 Prozent).
Bereits im zweiten Lebensjahr kam die rein elterliche Betreuung nur noch bei 41 Prozent der Kinder vor, im Gegenzug stieg die Inanspruchnahme von Kindertagespflege und vor allem von institutioneller Betreuung stark an. Dieser Trend setzte sich für die institutionelle Betreuung im dritten Lebensjahr weiter fort: Bei 60 Prozent der Kinder der Stichprobe wurde diese Betreuungsform für durchschnittlich 25 Stunden in der Woche genutzt.
Unter Berücksichtigung des aktuellen Erkenntnisstands der Bindungsforschung sowie der Anhaltszahlen des Kinderbetreuungsgesetzes der Europäischen Union empfehlen wir folgenden Betreuungsschlüssel:
für Säuglinge von 9 bis 12 Monaten: | 1 Betreuerin für maximal 2 Kinder |
für Kinder von 12 bis 24 Monaten: | 1 Betreuerin für maximal 3 Kinder |
für Kinder von 24 bis 36 Monaten: | 1 Betreuerin für maximal 4 Kinder |
Je jünger die Kinder und je kleiner das Altersspektrum, desto kleiner sollte die Gruppe sein. Als Richtschnur kann in der Altersklasse unter drei Jahre eine Gruppengröße von bis zu 12 Kindern betrachtet werden. Vorteilhaft sind eine ausgewogene Altersmischung und Geschlechterzusammensetzung.
BERUFSVERBAND DER KINDER- UND JUGENDÄRZTE e. V.
www.kinderaerzte-im-netz.de
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