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Umgang mit Süßigkeiten: Kinder in der Zuckerfalle

Lassen Sie sich auch von dem Aufdruck „ohne Zuckerzusatz“ nicht in die Irre leiten, warnt die Stiftung Kindergesundheit. Auch wenn ein Lebensmittel mit Saftkonzentraten aus Trauben und Obst oder mit Produkten aus der Stärkeverzuckerung (z. B. mitMaltodextrin) oder mit Honig gesüßt ist, hat es praktisch den gleichen Gesamtzuckergehalt wie entsprechende Lebensmittel mit Fabrikzucker

Kann man, darf man ausgerechnet in den Wochen vor Weihnachten auf die gesundheitlichen Gefahren von zu viel Süßigkeiten und süßen Softdrinks hinweisen? Man darf, ja man muss sogar, betont die Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck – auch wenn diese wichtigen Empfehlungen in eine Zeit fallen, in der sich Berge von Lebkuchen und Marzipan in den Supermärkten türmen, sich die Regale sich unter Schokonikoläusen und Zimtsternen biegen und es in vielen Familien verführerisch nach frischen süßen Plätzchen duftet. Denn: Neue Studien und Daten lassen einen engen Zusammenhang zwischen dem stark gestiegenen Zuckerverzehr und der bedrohlichen Zunahme von Übergewicht und Fettsucht bei Kindern und Jugendlichen erkennen, so die in München beheimatete Stiftung in ihrer aktuellen Stellungnahme.

„Durchschnittlich verbraucht jeder von uns, vom Baby- bis zum Greisenalter, rund 36 Kilogramm Zucker pro Jahr“, sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Der Zuckerverbrauch hat seit 1995 um 400 Gramm pro Kopf und Jahr zugenommen. Gleichzeitig erhöhte sich der Konsum süßer Erfrischungsgetränke um 2,4 Liter pro Kopf und Jahr. Zucker ist jedoch ein ‚leerer’ Energieträger, er enthält weder Vitamine noch Mineralstoffe“.

Werbespots für süße Lebensmittel haben einen immensen Einfluss auf Verkaufszahlen. Von den 3,24 Milliarden Euro, die die Nahrungsindustrie 2010 für Werbung ausgegeben hat, hatten Süßwaren mit 790 Millionen Euro den größten Anteil. Der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie beziffert den Umsatz mit Süßwaren im Jahr 2011 mit 12,5 Milliarden Euro, rund sechs Prozent davon wurden wieder in die Werbung investiert, das meiste (90 Prozent) in die Fernsehwerbung.

Kindergeburtstag – eine süße Orgie

Der werbewirksam angeheizte Süßverzehr wird bei Kindergeburtstagen besonders deutlich. Die obligatorische Geburtstagstorte reicht längst nicht mehr: Eingeladene Kinder bringen fast immer auch süße Geschenke mit und es ist in vielen Familien üblich geworden, den kleinen Gästen nach der Feier ein Geschenk mitzugeben, meistens eine kleine Tüte Süßigkeiten („Mitgebsel“ oder neudeutsch „GiveAways“ genannt). Ist das gut so?

 

Von Anfang an feste Regeln im Umgang mit Süßigkeiten aufstellen

Leider nein, sagt die Stiftung Kindergesundheit. Zu viel Zucker erhöht das Risiko für Übergewicht. Und in Deutschland sind heute schon 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig und über 6 Prozent fettsüchtig, hat der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) ergeben. Dicke Kinder laufen später Gefahr, an Zivilisationskrankheiten wie hohem Blutdruck, Herz- und Kreislaufleiden, Gicht oder Diabetes zu erkranken. Zucker schadet auch den Zähnen. Er dringt in den Bakterienbelag der Zähne ein. Dort wird er zu Säuren abgebaut, die den Zahnschmelz entkalken und zu einem klebrigen Schleim umgebildet, der die Zahnbeläge (die Plaques) dicker werden lässt.

Maßhalten statt verbieten

Und trotzdem: Kinder lieben nun einmal Süßes. Sie kennen den Geschmack schon von klein auf – aus der Muttermilch oder aus der Babynahrung. Kein vernünftiger Mensch käme deshalb auf den Gedanken, den Kindern alles Süße zu verbieten, sagt die Stiftung Kindergesundheit. Sie plädiert stattdessen dafür, in den Familien von Anfang an feste Regeln im Umgang mit Süßigkeiten aufzustellen und so dem Kind zu helfen, sein eigenes Maß zu finden.

Wie findet man also den richtigen Weg?
Folgende Empfehlungen der Stiftung Kindergesundheit können dabei helfen:

  • Benutzen Sie Süßigkeiten niemals als Belohnung, Druckmittel oder Strafe. Dann bleiben Süßigkeiten lediglich wohlschmeckende Nahrungsmittel und bekommen keinen übertriebenen Gefühlswert.
  • Süßigkeiten werden nach Möglichkeit nur einmal am Tag, zu den Mahlzeiten gegessen. Anschließend werden die Zähne geputzt. Untersuchungen haben ergeben, dass Zucker zu den Hauptmahlzeiten keinen nennenswerten Effekt auf die Zahngesundheit hat (auf das Gewicht allerdings sehr wohl!). Die Karies wird vor allem von den Süßigkeiten zwischen den Mahlzeiten verursacht.
  • Auch Großeltern und Tanten, Verwandte und Bekannte sollten die häuslichen Regeln zum Umgang mit Süßigkeiten kennen.
  • Legen Sie keine süßen Vorräte an: Was nicht im Haus ist, kann auch nicht gegessen werden. Gegen Süßhunger sind Obst und Karotten eine probate Hilfe.
  • Lassen Sie keine Süßigkeiten offen herumstehen. So schützen Sie sich selbst und ihre Kinder davor, aus Langeweile oder Gedankenlosigkeit ohne besonderen Appetit Bonbons, Gummibärchen, Schokolade oder Kekse zu essen.
  • Erklären Sie ihrem Kind so früh wie möglich, dass süße Sachen nicht gut für die Zähne sind. Gewöhnen Sie es möglichst daran, die Zähne zu putzen, sich den Mund auszuspülen oder einen Apfel zu essen, nachdem es Bonbons gelutscht hat.
  • Nach dem abendlichen Zähneputzen darf nichts mehr gegessen werden. Späte „Betthupferl“ nagen an den Zähnen.
  • Halten Sie sich selbst an die Regeln – wer ständig nascht, kann kein Vorbild sein.

Wie viel ist zu viel?

Süßwaren, Limonaden und Knabberartikel sollten nicht mehr als etwa zehn Prozent des täglichen Energiebedarfes beitragen. Professor Koletzko nennt ein Beispiel: „Für ein vier- bis sechsjähriges Kind liefern eine Kugel Eiscreme und zwei Butterkekse bereits zehn Prozent des täglichen Energiebedarfs.“ Besondere Vorsicht gilt bei mit Zucker gesüßten Getränken, und süßen Fruchtsäften.

Viele Studien belegen einen engen Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Konsum derartiger Getränke und der weltweiten Zunahme des Übergewichts.

Amerikanische Kinder trinken heute doppelt soviel Softdrinks wie vor 30 Jahren – der Anteil der Übergewichtigen oder Fettsüchtigen ist dort mittlerweile auf 70 Prozent gestiegen.

Eine jüngst vorgestellte Studie niederländischer Wissenschaftler (N Engl J Med 2012. DOI: 10.1056/NEJMoa1203034) erbrachte eindeutige Ergebnisse. 641 gesunde und normalgewichtige Schulkinder (Alter zwischen vier und elf Jahren) wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. In beiden Gruppen erhielten die Kinder pro Schultag eine gleich aussehende 250-ml-Dose eines süßen Erfrischungsgetränks. Der geschmacksgleiche Inhalt war entweder mit Zucker oder mit Süßstoff gesüßt. Nach 18 Monaten wurden alle Kinder gewogen und siehe da: Kinder, die das zuckerfreie Getränk zugeteilt bekommen hatten, haben in dieser Zeit mit 6,35 Kilo deutlich weniger zugenommen als die Kinder der Zuckergruppe mit 7,37 Kilogramm – ein Kilo Unterschied in anderthalb Jahren nur wegen einer kleinen Dose eines zuckerhaltigen Getränkes pro Schultag!

Die Stiftung Kindergesundheit betont: Ausreichendes Trinken ist für die kindliche Entwicklung enorm bedeutsam. Als Getränke wirklich gut geeignet sind Leitungswasser, Mineralwasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees oder Fruchtsaftschorle (zwei Drittel Wasser). Gezuckerte Fruchtsaftgetränke und Limonaden, einschließlich ColaGetränke, sollten nur gelegentlich getrunken werden.

Wichtig zu wissen: „Lebensmittel, die in der Werbung als besonders geeignet für Kinder herausgestellt werden, z. B. süße Riegel, Schnitten oder Milchprodukte, sind aus ernährungswissenschaftlicher Sicht keineswegs besser für Kinder als herkömmliche Süßigkeiten oder Obst“, betont Professor Berthold Koletzko. „Sie bieten in der Zusammensetzung der Zutaten und Nährstoffe kaum Vorteile, sind aber meist deutlich teurer“.

Wo überall Zucker versteckt ist

In vielen abgepackten Lebensmitteln ist Zucker enthalten. Immer, wenn Sie in der Zutatenliste Worte mit der Endung „-ose“ lesen, ist Zucker drin. Auch hinter den Namen Saccharose, Lactose, Glucose, Maltose, Dextrose und Fructose verbirgt sich Zucker. Tomatenketchup besteht zu 23 Prozent, Fruchtzwerge zu 12 Prozent, Butterkekse zu 28 Prozent, Milchschnitte zu 28 Prozent, Nutella zu 55 Prozent, Cola zu 11 Prozent aus Zucker.

Lassen Sie sich auch von dem Aufdruck „ohne Zuckerzusatz“ nicht in die Irre leiten, warnt die Stiftung Kindergesundheit. Auch wenn ein Lebensmittel mit Saftkonzentraten aus Trauben und Obst oder mit Produkten aus der Stärkeverzuckerung (z. B. mitMaltodextrin) oder mit Honig gesüßt ist, hat es praktisch den gleichen Gesamtzuckergehalt wie entsprechende Lebensmittel mit Fabrikzucker. Der Gehalt an Kalorien ist ebenfalls gleich und damit auch der dickmachende Effekt: Dem Körper ist es nämlich egal, ob er Zucker aus Rüben, Zuckerrohr, Mais, Trauben, Honig, Obst oder Stärke verarbeitet.

Mehr Informationen hierzu finden Sie unter:
Stiftung Kindergesundheit
www.kindergesundheit.de

 

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