Zum ersten Mal seit acht Monaten tagte am Sonntagabend der Koalitionsausschuss in Berlin. Die Bundesregierung erklärte Einigkeit bei der Einführung des Betreuungsgelds und der Abschaffung der Praxisgebühr. Letzteres hatte auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gefordert.
Uneinigkeit herrscht nach wie vor bei der Zuschussrente, dem Urheberrecht und der Hygiene-Ampel: „Zentrale Themen des Verbraucherschutzes sind vom Gipfeltisch gerutscht“, kritisiert Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). „Der Gipfel wäre die Chance gewesen, die Dauerblockade in der Koalition zu lösen und nötige Gesetze für mehr Verbraucherschutz auf den Weg zu bringen. Diese Chance hat die Bundesregierung vertan.“
Mehr Pflichten bei der Zuschussrente
Die beitragsfinanzierte Zuschussrente von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) konnte sich nicht durchsetzen. Renten unter dem Niveau der Grundsicherung von Geringverdienern sollen wie schon jetzt mit Steuermitteln angehoben werden – wenn Verbraucher auch privat ausreichend vorgesorgt haben. „Verbraucher müssen immer stärker privat vorsorgen, um im Alter abgesichert zu sein. Wenn die Regierung das fordert, muss sie auch dafür sorgen, dass ihre Sparbeträge in effiziente Produkte fließen“, so Billen. Statt nur 75 Prozent müssten Versicherungen künftig mindestens 90 Prozent der Risikoüberschüsse an die Verbraucher weitergeben, fordert der vzbv. Außerdem müssten Verbraucher Verträge einfacher wechseln und so besser aus einem schlechten Vertrag herauskommen können.
Keine Bewegung beim Urheberrecht
Die Streitigkeiten zum Urheberrecht waren gar kein Thema beim Koalitionsgipfel. Das lange geplante Anti-Abzocke-Gesetz lässt weiter auf sich warten. Eine repräsentative Umfrage von Infratest-dimap im Auftrag des vzbv im Juni 2012 ergab: Rund sechs Prozent der Bundesbürger ab 14 Jahren wurden schon einmal abgemahnt, weil sie im Internet bewusst oder unbewusst Urheberrechtsverstöße begangen haben. Das sind rund 4,3 Millionen Menschen. Viele Betroffene müssen tief in die Tasche greifen. Nach Einschätzung des vzbv variieren die Kosten in der Regel zwischen 500 und 1.000 Euro. Im Dezember 2011 hatte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger angekündigt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um den Abmahnwahn zu stoppen. Im März 2012 hatte sie ein entsprechendes Gesetzespaket auf den Weg gebracht und der Bundesregierung zur Abstimmung vorgelegt – ohne Ergebnis. Der Koalitionspartner blockiert, das Gesetz stockt. Bezahlen müssen das die Verbraucher: „Das Anti-Abzocke-Gesetz ist vom Gipfeltisch gerutscht, und mit ihm der Schutz für Verbraucher in der digitalen Welt“, kritisiert Gerd Billen. „Wenn die Regierung nicht bald handelt und endlich aus der Blockadehaltung erwacht, kostet das weitere Verbraucher unangemessene Geldstrafen.“
Keine Bundesinitiative zum Kontrollbarometer
Ebenfalls von der Tagesordnung rutschten die Pläne von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner zur Hygiene-Ampel. Aigner wollte Regelungen in den Bundesländern erleichtern, die Unternehmen dazu verpflichten, Ergebnisse der Hygienekontrollen in Form eines Kontrollbarometers in der Gastronomie auszuhängen. Das Kabinett sollte der Änderung im Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) zustimmen, Bundeswirtschaftsminister Phillip Rösler legte sein Veto ein und ließ den Punkt streichen. „Wenn es an der Hygiene mangelt, sollte das kein Herrschaftswissen für Behörden, sondern allen Verbrauchern bekannt sein. Daher ist es seit Jahren erklärtes Ziel der Verbraucherschutzminister der Länder, ein Transparenzmodell für die Ergebnisse der Lebensmittelüberwachung zu schaffen. Dass der Bundeswirtschaftsminister jetzt selbst den bescheidenen Kompromiss blockiert, macht die bisherigen Bemühungen zunichte“, sagt Billen.
Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) – www.vzbv.de
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