„Super-Lover“-Kaugummis, die statt der Libido eher das Herz und den Kreislauf an den Rand des Kollaps bringen, Power-Pulver und -Pillen für Sportler, die sich bei genauer Analyse als Drogen- und Dopingpräparate entpuppen: Fast jedes dritte Nahrungsergänzungsmittel ausländischer Herkunft, das Figur- und Fitness-Fans online bestellen, enthält für Käufer nicht erkennbar illegale und hochgradig gesundheitsschädliche Substanzen.
Der Online-Handel mit Präparaten aus aller Welt, die das Bedürfnis nach Sex, Drugs and Super-Bodies durch die ergänzende Einnahme von Pillen, Pulvern und Tees befriedigen, ist ein Milliardengeschäft. 30 Euro geben Online-Käufer im Schnitt allein für eine Packung aus, die in schillernder oder schriller Aufmachung dafür wirbt, dass der Inhalt den eigenen Körper angeblich schlanker, potenter oder fitter macht. Viele Mittelchen, die vorgeben, nur natürliche Wirkstoffe zu enthalten, entfalten jedoch oft schon kurz nach der Einnahme eine unheilvolle und nicht die gewünschte körperformende und vitalisierende Wirkung. Hierbei erweist es sich als fatal, dass Anbieter das Internet als Schlupfloch nutzen, um ungehindert fremdartige Nahrungsergänzungsmittel mit verbotenen Substanzen auf den deutschen Markt zu bringen: „Das ist ein Missstand, dem der Gesetzgeber und die Bertreiber von Internetportalen dringend Einhalt bieten müssen“, erklärt Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW.
Um herauszufinden, welche Nahrungsergänzungsmittel ausländischer Herkunft im Internet angeboten werden, haben die Verbraucherschützer 78 Produkte aus den vier Kategorien Anti-Aging, Gewichtsreduktion, Potenz- und Libido-Steigerung sowie Fitnesszuwachs bei Freizeitsportlern auf deutschsprachigen Webseiten oder bei Plattformen – auch bei ebay und amazon – bestellt. Dabei blieb bereits jedes zehnte Produkt unterwegs auf der Strecke oder wurde falsch geliefert. Die restlichen 70 Packungen wurden genauer unter die Lupe genommen und die einzelnen Wirkstoffe von anerkannten Labors analysiert und bewertet.
Abenteuerlich: Neun von zehn Produkten – darunter sämtliche Schlankheitsmittel – dürften aufgrund gravierender Kennzeichnungsmängel in Deutschland überhaupt nicht angeboten und verkauft werden: Jedes vierte Mittel war zum Beispiel nicht in deutscher Sprache, sondern nur in Englisch oder buchstäblich in Fachchinesisch beschriftet. Bei vier von fünf Präparaten fehlten die nach europäischem Recht vorgeschriebenen Warnhinweise zur Einnahme.
Alarmierend: Jedes dritte der exotischen Power-, Potenz- und Schlankheitsmittel enthielt nicht zugelassene Wirkstoffe, die weder auf der Webseite noch auf der Verpackung angegeben waren. Obwohl alle Produkte als „natürliche“ Nahrungsergänzungsmittel im Internet feilgeboten wurden, enthielten 13 von 21 Schlankheitsmitteln, acht von 13 Libido- und Potenz-Präparaten sowie sechs von 21 Sportlerprodukten verbotene und riskante Arzneien.
Die bedenklichsten Produkte wiesen hierbei verschreibungspflichtige Wirkstoffe wie Sibutramin und Tadalafil oder Stimulanzen wie Ephedrin und Amphetamin auf. Der Arzneiwirkstoff Sibutramin, bei der Untersuchung aufgespürt in Diät-Pillen, kann erhöhten Blutdruck, eine gesteigerte Herzfrequenz und starke Übelkeit auslösen. In Schlankmachern enthaltenes Phenolphthalein gilt als potenziell krebserregend. Tadalafil, das sich als Zutat in angeblich rein pflanzlichen Potenzmitteln fand, wird zur Behandlung von Impotenz eingesetzt und kann bei falscher Medikation zum Kollaps führen. Stimulanzen, die im Großteil der vermeintlich „natürlichen“ Fitnessprodukte verwendet wurden, spenden dem Körper keine neue Energie, sondern beuten die Energiereserven des Körpers aus bis zur völligen Erschöpfung. Eine Überdosierung kann Freizeitsportlern Muskelblockaden und im Extremfall den Tod bescheren.
Auch auffällig: Obwohl die Anbieter alle einen Firmensitz im Ausland angaben, wurde die Hälfte der bestellten Proben von einem deutschen Standort aus zugestellt. Importware aus Fernost oder Übersee passierte ungehindert die Grenze. Um die Wirksamkeit ihrer Mittelchen nicht nur durch wortgewaltige Attribute wie „Ultra Effekt“, „HardCore“, „Hydra Slim“ oder „Premium Pharmaceutical Quality“ zu unterstreichen, sondern den obskuren Präparaten auch einen seriösen Anstrich zu verpassen, bedienten sich einige Firmen unverfroren falscher Gütesiegel – etwa von Stiftung Warentest oder der hiesigen Apotheken.
Um den außer Kontrolle agierenden Online-Handel mit Nahrungsergänzungsmitteln in seine Grenzen zu weisen, fordert NRW-Verbraucherzentralen-Chef Müller „eine konsequente Überwachung dieses Markt-Segments durch die zuständigen Behörden sowie eine effizientere Verfolgung und Ahndung von Verstößen. Auch Online-Plattformen wie ebay und amazon, die einen Marktplatz für die dubiosen Angebote zur Verfügung stellen, müssen Waren und ihre Rechtmäßigkeit stärker kontrollieren und für wirksame Zulassungsbeschränkungen sorgen. Konsumenten müssen besser über die Gesundheitsrisiken informiert werden, die mit der Einnahme von Mitteln aus aller Welt zum Aufpeppen des eigenen Körpers verbunden sind.“
Eine Übersicht über die 25 aus der Sicht der Verbraucherzentrale NRW schlimmsten Präparate mit illegalen Substanzen und eine Checkliste für den Online-Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln gibt’s im Internet unter www.vz-nrw.de/nem
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.
www.vz-nrw.de
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