Mainz. Der Deutsche Philologenverband übt massive Kritik an der gemeinnützigen Stiftung Lesen. Der Vorsitzende des Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger erklärte gegenüber dem ARD Politikmagazin REPORT MAINZ: „Es wird hier zu stark auf Kooperationen mit einzelnen Firmen und Industrieunternehmen gesetzt, die sich selber auch stark in den Vordergrund schieben. Das kann nicht der Weg der Zukunft sein. Hier wird auch das Vertrauen, dass die Lehrer in die Stiftung Lesen haben ausgenutzt. Ich kann nur hoffen, dass dieser Weg korrigiert wird.“
So wird zum Beispiel in einer von der Mainzer Volksbank finanzierten Unterrichtsmappe zum Thema „Geld in der Grundschule“ das spezielle Bonussystem des sogenannten „Kids“–Kontos der Mainzer Volksbank angepriesen. Die Grundschüler erfahren, wer spart bekommt bei dieser Bank nicht nur Zinsen. „Bei der MVB erhält er außerdem Fische“, die kann er gegen „Geschenke tauschen.“ Außerdem müssen die Grundschüler auf Arbeitsblättern für die Unterricht folgende Fragen beantworten: „Was bedeutet die Abkürzung MVB?“ oder „Wie hießt die lustige Kinderzeitschrift von der Volksbank?“. Gemeint ist das Kindermagazin „Primax“ der Volksbanken. Wer das noch nicht kennt, findet es als Tipp ganz oben auf der Leseliste der Stiftung Lesen.
Ein weiteres Beispiel: Eine Unterrichtsbroschüre für Schüler der Klassenstufen 8 bis 10 mit dem Titel „Unterwegs in der Welt der Bahn“ (Auflage: 50.000 Stück).Die Bahn ist einer der wichtigsten Sponsoren der Stiftung Lesen und zahlendes Mitglied des Stifterrats. Außerdem sitzt Dr. Rüdiger Grube im Vorstand der Stiftung. Auf fast 40 Seiten beschreibt die Stiftung Lesen in ihrem Unterrichtsmaterial zur Bahn die Erfolge des Unternehmens, kritische Aspekte sucht man vergebens. Bezahlt hat das Heft die Bahn.
Für den Bielefelder Soziologen Prof. Reinhold Hedtke ist das reine PR und Lobbyarbeit im Klassenzimmer. In REPORT MAINZ erklärt er: „Das hätte ich nicht für möglich gehalten, dass eine solche jubelnde Selbstdarstellung eines Unternehmens unter der Überschrift Stiftung Lesen an den Schulen vertrieben wird.“ Die Stiftung Lesen räumt Diskussionsbedarf ein. Als Reaktion auf die Kritik an der Werbung für das Bonussystem der Mainzer Volksbank in den Unterrichtsmaterialien der Stiftung Lesen, erklärt Sabine Uehlein gegenüber REPORT MAINZ: „Ja, das kann man in dem Fall tatsächlich diskutieren, da bin ich ihrer Meinung. Gleichzeitig finde ich es tatsächlich durchaus möglich, mit so was hier zu arbeiten.“
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