In der Debatte um eine neue Nährwertkennzeichnung wirbt Frau Aigner für das „1 plus 4“-Modell des Ministeriums mit Prozent- und Zahlenangaben. Dieses Modell entspricht der von der Lebensmittelindustrie favorisierten „GDA“-Kennzeichnung. Mehrfach stellten Vertreter des Bundesverbraucherministeriums dabei die Behauptung auf, dass eine vom Ministerium selbst im Frühjahr 2008 beauftragte Umfrage eine große Zustimmung zum „1 plus 4“-Modell ergeben habe. So antwortete beispielsweise Frau Aigner im Dezember 2009 auf die Frage eines Bürgers nach der Ampelkennzeichnung im Portal abgeordnetenwatch.de: „Das ‚1 plus 4‘-Modell wird jedenfalls durch Verbraucherinnen und Verbraucher positiv beurteilt. Dies ergab eine im März 2008 im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführte repräsentative Meinungsumfrage. Über 80 Prozent der Befragten beurteilten die Darstellung nach diesem Modell als informativ, verständlich und übersichtlich.“ (Quelle: http://www.abgeordnetenwatch.de/ilse_aigner-180-24148–f232056.html#q232056). Sinngleiche Aussagen machte auch Staatssekretärin Julia Klöckner.
Der Haken dabei: In der betreffenden Umfrage, von Infratest Dimap im Auftrag des Ministeriums durchgeführt, wurde den Befragten gar nicht das „1 plus 4“-Modell, wie es die Ministerin fordert, gezeigt – sondern eine Grafik, in der die Nährwertangaben mit den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün hinterlegt waren (Umfrage auf der Seite des Ministeriums: http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/379342/publicationFile/22057/UmfrageNaehrwertkennzeichnungBericht.pdf, dort Seite 11). Mehr als 80 Prozent fanden genau diese Grafik informativ, verständlich und übersichtlich – mit den Ampelfarben. Dies verschweigt Ilse Aigner bis heute und benutzt die Umfrage sogar, um gegen die Ampel Stimmung zu machen.
„Ilse Aigner führt die Öffentlichkeit an der Nase herum, weil Nährwertkennzeichnung mit Ampelfarben in dieser Bundesregierung Tabu ist“, sagte Matthias Wolfschmidt. Deshalb kritisiere das Ministerium auch stets die angeblich fehlende Wissenschaftlichkeit der Ampelkennzeichnung. Jedoch hat es bis heute nicht zur einzigen umfassenden und nicht von der Lebensmittelindustrie finanzierten Studie über Ampel und „GDA“-Kennzeichnung in der Praxis Stellung genommen, der Studie der britischen Lebensmittelbehörde FSA von Mai 2009.
Zuletzt hatte Ministerin Ilse Aigner im Oktober 2010 einen Vorstoß für eine veränderte Darstellung des „1 plus 4“- bzw. „GDA“-Modells gemacht. Dabei setzt sie sich für die Angabe der Nährwertgehalte pro Portion ein – wie von der Industrie gefordert. Praxistests hatten jedoch gezeigt, dass die Bezugnahme auf unterschiedliche Portionen eines Lebensmittels den Vergleich zweier Produkte unmöglich macht. Das Europaparlament hatte daher für eine standardisierte Angabe der Nährwerte pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter gestimmt. Matthias Wolfschmidt: „Frau Aigner fällt sogar noch hinter die Debatten im Europaparlament zurück und verkauft Portionsgrößen als Fortschritt für die Verbraucher, obwohl dies doch nur Klientelpolitik für die Ernährungsindustrie ist.“
Links:
– „Wie Aigner die Verbraucher mit einer Umfrage täuschte“ (Spiegel Online): http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/0,1518,726724,00.html#ref=top
– Mehr zur Umfrage des Ministeriums unter http://foodwatch.de/kampagnen__themen/ampelkennzeichnung/chronologie/bmelv_umfrage_2008/
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